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Extremrisiken nehmen zu

von Robert M. Hall, MFS Institutional Fixed-Income Portfolio Manager

Zu Jahresanfang gingen wir davon aus, dass das überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum höhere US-Staatsanleiherenditen zur Folge haben würde. Wir erwarteten zunächst eine Versteilung der Zinsstrukturkurve durch einen überproportionalen Anstieg der Langfristrenditen, gefolgt von einer Verflachung durch einen überdurchschnittlichen Anstieg der Kurzfristrenditen. Wir gingen nämlich davon aus, dass auf das Tapering 2015 Leitzinserhöhungen folgen würden. Wie viele andere Marktbeobachter auch haben wir die Entwicklung der Staatsanleiherenditen falsch eingeschätzt. Heute sind sie deutlich niedriger als zu Jahresbeginn, wobei die Langfristrenditen stärker fielen als die Kurzfristrenditen. Einhergehend mit den Kursgewinnen wurde die Kurve flacher.

Zu Jahresbeginn hatten wir uns zwar dem Marktkonsens angeschlossen, hielten aber auch Überraschungen für denkbar, beispielsweise ein unerwartet schwaches Wachstum, weltpolitische Spannungen oder eine unerwartete Inflationsentwicklung. All dies trat dann tatsächlich ein.

- Das Wirtschaftswachstum lag nicht über dem Trendwachstum. Den jüngsten BIP-Zahlen zufolge ist die US-Wirtschaft im 1. Quartal aufgrund des harten Winters und des Abbaus der Lagerbestände geschrumpft. Ungünstig waren auch die Abwärtsrevisionen der Gesundheitsausgaben. Das schwache Wachstum ist aber lediglich die Folge von Sondereffekten; das Trendwachstum bleibt robust.
- Weltpolitische Entwicklungen haben in diesem Jahr bislang eine wichtige Rolle gespielt. Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen nach der Intervention in der Ukraine haben für niedrige Renditen gesorgt. Das Interesse an „sicheren Häfen‘‘ und damit an US-Staatsanleihen nahm zu, und am Ende könnten die Anleiherenditen auch durch ein geringeres Wirtschaftswachstum infolge der Spannungen fallen. Ähnliche Auswirkungen könnte auch ein Ölpreisschock aufgrund des irakischen Bürgerkriegs haben.
- Leicht irritierend war die steigende US-Inflation. Dieser Anstieg reicht jedoch nicht aus, um den Zeitplan der Fed für eine allmähliche Straffung der Geldpolitik infrage zu stellen. Im Euroraum hingegen haben die Deflationsrisiken die EZB zu einer erneuten Lockerung gezwungen. Auch das Deflationsrisiko dürfte noch längere Zeit für weltweit niedrige Anleiherenditen sorgen.
Beeinflusst wurden unsere Zinserwartungen von der Unsicherheit über das Langfristpotenzial der USA und die enttäuschenden Wachstumsbeiträge des Wohnimmobilienmarkts, der Nettoexporte und der Investitionen. Zwar ist aufgrund der weiteren Fortschritte am Arbeitsmarkt für den Rest des Jahres solides Wachstum zu erwarten, mehrere Faktoren werden aber wahrscheinlich einen Anstieg der US-Renditen begrenzen. Kurzfristig ist daher nur mit einer leichten Zunahme zu rechnen.

Credits im „Goldilocks-Umfeld“ genau beobachten

Zu Jahresbeginn haben wir geschrieben, dass das technische Rentenmarktumfeld nicht frei von Risiken sei – jedenfalls so lange, bis fallende Staatsanleiherenditen und eine entsprechend gute Kursentwicklung den Anlegern zumindest vorübergehend die Sorge vor Umschichtungen aus Renten- in Aktienfonds nehmen. Die Nettomittelzuflüsse der Publikumsfonds sind zumeist gestiegen. Dies gilt auch für Stadtanleihenfonds und Emerging- Market-Anleihen. Sie hatten im Mai und im Juni 2013 erhebliche Abflüsse verzeichnet, als erstmals über Tapering gesprochen wurde, die Staatsanleiherenditen nach oben schossen und sich die Spreads ausweiteten.

Eine ähnlich hohe Korrelation von Staatsanleiherenditen und Spreads wie im letzten Jahr halten ist unwahrscheinlich, aber auch nicht völlig auszuschließen. Auch die Zweifel an der Sekundärmarktliquidität bleibt bestehen. Den Daten zufolge sind die Credit-Märkte heute weniger liquide als vor Lehman. Daher ist zu erwarten, dass eine schwache Liquidität einen möglichen Ausverkauf verstärkt.

Im Januar hielten glaubten wir, dass die Fundamentaldaten von Credits nachgeben könnten, insgesamt aber wohl stabil bleiben würden. Auch wenn die Verschuldung der Unternehmen leicht gestiegen ist, sind die Kreditkennziffern noch immer gut und die Ausfallrisiken niedrig. Dennoch müssen Anleger wählerisch sein. Der Markt dürfte stark zwischen Titeln mit guter und Titeln mit schwächerer Kreditqualität differenzieren.

Das derzeitige „Goldilocks‘‘-Umfeld mit niedrigem Wachstum, niedriger Inflation, Schuldenabbau in den Industrieländern und weltweit reichlich Liquidität dürfte alles in allem gut für Credits sein. Kurzfristig mag es keinen Grund für einen deutlichen Renditeanstieg oder eine Aktienmarktkorrektur geben. Die Extremrisiken scheinen allerdings zuzunehmen. Die Spreads könnten sich ausweiten, wenn die Volatilität steigt. Es ist fraglich, wie lange Zins-, Aktien- und Währungsvolatilität noch so niedrig bleiben können. Die niedrige Volatilität macht heute sogar noch mehr Sorgen als vor sechs Monaten. Am Ende könnten die Anleger zu sorglos werden und zu hohe Risiken eingehen.

Interessante Unternehmensanleihen

Noch immer meinen wir, dass Kursverluste am Anleihenmarkt aufgrund steigender Zinsen durch eine eher kurze Duration gemindert werden können. Ebenso wichtig ist aber ein Spreadpuffer durch die Übergewichtung von Credits mit mittlerer Qualität. Interessant sind also hochwertige High-Yield-Anleihen ebenso wie Titel mit einem niedrigen Investmentgrade- Rating. Zu Jahresbeginn haben wir gewarnt, dass die derzeitigen Bewertungen am Credit-Markt kaum Fehlentscheidungen zulassen, da die Spreads in vielen Sektoren bereits auf ihre fairen Niveaus gefallen waren. Doch seitdem sind sie sogar noch weiter zurückgegangen. Heute steht fest, dass Credits jetzt nicht mehr in jedem Fall vor steigenden Zinsen schützen.


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