Gleicht die aktuelle Kuponrendite von Schwellenländeranleihen das Risiko im Vergleich zu Papieren der Industrieländer aus? Ja, sagen Uday Patnaik, Head of Emerging Market Debt, und Volker Kurr, Head of Europe Institutional bei Legal & General Investment Management, vorausgesetzt, man wählt die richtigen Länder aus:
„Die Renditen des JP Morgan EMBI Global Diversified Total Return Index (Schwellenländer-Staatsanleihen) liegen derzeit bei 5,2 Prozent, die Renditen JP Morgan CEMBI Diversified Total Return Index (Unternehmensanleihen) bei 4,4 Prozent. Damit bieten sie weiterhin einen deutlichen Aufschlag gegenüber den Renditen in den Industrieländern: 10-jährige US-Renditen notieren unter 1,7 Prozent, japanische knapp über 0,10 Prozent. Die zehnjährigen europäischen Renditen liegen sogar im negativen Bereich, bei rund -0,30 Prozent.
Statt mit anderen Weltregionen lassen sich Schwellenländer-Anleihen auch mit anderen festverzinslichen Anlageklassen vergleichen. Beispiele: US High Yield: 5,3 Prozent; US Investmentgrade Corporates: um die drei Prozent; Euro Credit/Investmentgrade: unter 0,5 Prozent Rendite. Inzwischen beläuft sich der Gesamtbestand an Schuldtiteln mit negativer Rendite auf 13,5 Billionen US-Dollar.
Die Frage, ob die aktuellen Renditen in der festverzinslichen Anlageklasse die Anleger für das zugrunde liegende Risiko entschädigen oder ob sie der quantitativen Lockerung Rechnung tragen, betrifft also nicht spezifisch die Schwellenländer. Vielmehr bieten sie aktuell das beste Risiko-Rendite-Verhältnis, da die Rating-Agenturen die oben genannten Indizes für Staats- und Unternehmensanleihen der Schwellenländer, die wir als Benchmark heranziehen, als Investmentgrade einstufen. Dies gilt umso mehr, als ihre Volkswirtschaften dieses Jahr und in absehbarer Zukunft schneller wachsen dürften als die Industrieländer – bei gerade einmal halb so hohem Schuldenstand. Damit haben sie bessere Aussichten, den jüngsten Schuldenanstieg wieder in den Griff zu bekommen.
Geringe Anfälligkeit für Zinsschwankungen
In der aktuellen Marktdynamik bevorzugen wir Schwellenländer-Hochzinsanleihen, weil sie einen noch größeren Puffer gegen starke Schwankungen bieten. Sie werden profitieren, wenn sich das Wachstum erholt und Rohstoffpreise steigen. In der Zwischenzeit gibt es reichlich multilaterale Unterstützung, unter anderem durch den IWF und die G20. Es kommt also darauf an, die richtigen Titel auszuwählen. Wir bevorzugen Länder, die ihre Wirtschaft nachdrücklich reformieren oder auf dem Weg zu einem IWF-Engagement sind und gleichzeitig von Reflation, Rohstoffpreisen und globalem Handel profitieren (Ukraine, Ägypten). Auch in Gabun und El Salvador steigen die Aussichten auf ein IWF-Programm, und damit könnte sich auch die Schuldnerqualität verbessern. Oman profitiert von einem Reformfokus und fiskalischen Konsolidierungsbemühungen unter einem neuen Sultan.
In Brasilien schauen wir angesichts der hohen Schuldenlast, des wachsenden sozialen Drucks und der bevorstehenden Wahlen eher mit Sorge auf die fiskalische Dynamik. In der Türkei könnten die jüngsten institutionellen Veränderungen einer verlässlichen Politik im Wege stehen, auf die es für makroökonomische Stabilität und Schuldentragfähigkeit ankommt. Russland schließlich punktet zwar mit politischer Stabilität, niedrigem Schuldenstand und hoher Schuldnerqualität bei Staatsanleihen, doch geopolitische Erwägungen und insbesondere das Risiko von Sanktionen machen uns weiterhin Sorgen.“
www.fixed-income.org
Foto: Uday Patnaik, Head of Emerging Market Debt © Legal & General Investment Management
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