Die Staatsschuldenkrise in Europa hat die Ordnung im Anlageuniversum für Anleihen kräftig durcheinander gewirbelt: Schuldtitel mancher europäischer Länder, die vor wenigen Monaten noch als sicher galten, werden nun als Wackelkandidaten gehandelt, denen immer weniger zugetraut wird, ihre Schulden zu bedienen. Zugleich steigt die Nachfrage nach Anleihen aus sogenannten Emerging Markets (EMMA) weiter an. In der Vergangenheit waren solche Papiere wegen ihres höher taxierten Risikos von vielen Anlegern gemieden worden.
Bonität vieler EMMAs deutlich gestiegen
Doch während sich die Bonität einiger Länder auf dem alten Kontinent dramatisch verschlechterte, ist die Kreditwürdigkeit vieler aufstrebender Länder in Asien, Lateinamerika und Osteuropa deutlich gestiegen. Die gesamtwirtschaftlichen Daten von Schwellenländern wie Indonesien, Türkei, Brasilien und Kolumbien haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert: Sie glänzen mit kräftigem Wirtschaftswachstum, moderater Inflation und gestiegenen Währungsreserven im Kielwasser von Exportüberschüssen. Das erlaubte nicht wenigen Staaten ihre Verschuldung zu senken. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt sie heute in vielen EMMAs niedriger als in manchen entwickelten Industrieländern und unter der 60-Prozent-Schuldengrenze der europäischen Währungsunion. Einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge wird die durchschnittliche Schuldenquote in den 20 bedeutendsten Industrieländern bis 2014 auf rund 110% ansteigen. In den 20 EMMAs mit der höchsten Wirtschaftsleistung werde die Staatsverschuldung dagegen zurückgehen und im Durchschnitt bei lediglich 40 Prozent des BIP liegen. Entsprechend niedrig fällt auch die Nettoneuverschuldung in den aufstrebenden Ländern aus: In Brasilien wird sie laut IWF 2010 etwa drei Prozent betragen.
Wachsender Anleihe-Markt in Landeswährungen
Angesichts dieser Verschiebungen bei wichtigen Stabilitätsindikatoren ist es nicht weiter erstaunlich, dass sich Schuldtitel aus EMMAs bei Investoren wachsender Beliebtheit erfreuen. Während die meisten dieser festverzinslichen Papiere in den 1990er-Jahren noch in „harten“ Währungen wie US-Dollar emittiert wurden, werden heute sogenannte Emerging Market Debts (EMD) bevorzugt in den jeweiligen Landeswährungen (LC) ausgegeben. Von den derzeit ausstehenden EMMA-Krediten an Staaten und Unternehmen in Höhe von 7,6 Billionen US-Dollar wurden 85% in lokalen Währungen ausgereicht. Für Anleger aus dem Euroraum bietet diese Entwicklung neue Chancen: Sie können nicht nur von attraktiven Zinszahlungen, sondern auch von Währungsaufwertungen profitieren. Denn das höhere Wirtschaftswachstum in den EMMAs lockt einen stetig zunehmenden Kapitalstrom in diese Länder. In der Folge werten die lokalen Währungen in der Regel auf. Entsprechend hoch ist der Anteil, den Wechselkursgewinne zur Gesamtrendite bei Investitionen in die EMMA-Kreditmärkte beitragen können. Zwischen 2002 und 2009 lag er bei etwa 33%.
Höhere Renditeerwartungen bei länger laufenden Staatsanleihen
Anleger können zwischen zwei Segmenten im globalen EMD-LC-Markt wählen: Zwischen dem Geldmarkt und länger laufenden Anleihen. Bei Geldmarktinstrumenten handelt es sich in der Regel um Papiere mit kurzen Laufzeiten zwischen einem und drei Monaten. Dieses Anlagesegment wird vom Emerging Local Markets Index + ( ELMI+) abgebildet, der 24 Schwellenländer enthält. Staatsanleihen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr repräsentiert beispielsweise der Government Bond Index EM Global Diversified (GBI-EM GD). Er deckt 14 Länder ab, wobei die Regionen Asien, Lateinamerika und Osteuropa mit jeweils rund 30% nahezu gleich gewichtet sind. Zwischen 2003 und 2009 erzielte der Staatsanleihen-Index auf US-Dollar-Basis eine durchschnittliche Rendite von 12,5%pro Jahr, während ein Geldmarktinvestment in den ELMI+ im selben Zeitraum 9,3% brachte. Die höheren Erträge von Staatsanleihen mit längerer Laufzeit liegen in der Natur der Märkte, die das höhere Risiko von Langläufern in der Regel mit Renditeaufschlägen belohnen. Dafür schwanken die Kurse dieser Papiere allerdings auch stärker als Geldmarktinstrumente. Denn je länger die Laufzeit von Anleihen, desto sensibler reagieren sie beispielsweise auf Zinsänderungen und veränderte Inflationserwartungen.
Unterbewertungen aktiv nutzen
Während sich die lokalen Geldmärkte in vielen Schwellenländern bereits vor Jahren etablierten und eine hohe Liquidität bieten, sind die Märkte für Staatsanleihen in lokaler Währung noch relativ jung. Das geringere Handelsvolumen erhöht die Wahrscheinlichkeit von Über- und Unterbewertungen in einzelnen Ländern. „Das können aktive Bondmanager ausnutzen und höhere Renditen als der Marktdurchschnitt erzielen“, konstatiert Raoul Luttik, Senior Portfolio Manager im EM-Debt-Team von ING Investment Management.
Geldfluss in lokale Bondmärkte wird weiter zunehmen
Mit dem neuen EMMA-Anleihe-Fonds, der ein längeres und breites Laufzeitenspektrum als der Geldmarkt bietet, können Investoren nun auch von Investmentstrategien entlang der Zinsstrukturkurve partizipieren. Auf Portfolio-Ebene tragen EMMA-Bonds in lokalen Währungen zur Risikostreuung bei, weil sie nur gering mit den Märkten der Industrienationen korrelieren. Auch innerhalb der Anlageklasse ist der Gleichlauf gering, da die Wertentwicklung der einzelnen Anleihen unter anderem von den lokalen Zins- und Inflationsentwicklungen in den jeweiligen Ländern abhängen. Und: „Mit fortschreitender Reife der Schwellenländer wird der Geldfluss in die lokalen Anleihemärkte weiter wachsen“, prognostiziert Senior-Portfolio-Manager Luttik. Anleger dürften demnach weiterhin von steigenden Bondkursen, Währungsgewinnen und einer sich verbessernden Kreditqualität profitieren.