Bislang hat das Jahr 2021 gezeigt, dass es beim Investieren in Schwellenländeranleihen vor allem darauf ankommt, auf unerwartete Ereignisse vorbereitet zu sein. Der Markt erwartete einen Boom, doch die Indizes bewegen sich im negativen Bereich. Aufsehenerregende Schlagzeilen haben die Volatilität an den Schwellenmärkten angeheizt. 2021 sind alle Augen auf Schwellenländeranleihen gerichtet: Der schwächelnde Dollar, die Pandemie-Erholung und die akkommodierendere US-Außenpolitik unter Joe Biden treffen auf die strukturellen Stärken von Schwellenländeranleihen wie den Zugang zum Wirtschaftswachstum, den relativen Renditevorteil und der soliden Bottom-up-Story der Emittenten.
Alles eine Frage der Zinsen
Warum haben sich Schwellenländeranleihen in diesem Jahr bisher nicht wie erwartet entwickelt? Der Haupttreiber der Performance waren die US-Zinsen. Der Anstieg der US-Zinsen schadete vor allem Investment-Grade- und Staatsanleihen: Der Index für Staatsanleihen, der eine viel höhere Duration als der Index für Unternehmensanleihen aufweist, fiel im März um 5 Prozent, und Investment-Grade-Anleihen verzeichneten ein Minus von 1,9 Prozent, während Hochzinsanleihen im positiven Bereich lagen. Im April, als die US-Zinsen stiegen, lag der Sovereign-Index über 2 Prozent im Plus.
Eine Reihe politischer Überraschungen
Ein anderer wichtiger Faktor für die Entwicklung von Schwellenländeranleihen in diesem Jahr war eine Reihe von überraschenden Ereignissen, die nicht miteinander korreliert, aber alle die Volatilität angeheizt haben. Mitte März entließ der türkische Präsident Erdogan seinen als marktfreundlich geltenden Zentralbankchef, weil er zu marktfreundlich war. Infolgedessen büßte die Lira innerhalb weniger Stunden 15 Prozent ein. Anfang April kursierten dann Gerüchte in den sozialen Medien, dass das chinesische Staatsunternehmen Huarong einen Zahlungsausfall seiner Auslandsschulden vorbereite. Zwar entpuppte sich dies tatsächlich als nichts weiter als ein Gerücht, doch der Wert der Anleihen halbierte sich in der ersten Monatshälfte nahezu. Unterdessen führten Hinweise auf eine Aufstockung von Streitkräften und Ausrüstung an der russisch-ukrainischen Grenze zu Befürchtungen, dass der seit 2014 schwelende Konflikt in einen totalen Krieg ausarten könnte; daraufhin wurden in beiden Ländern Anleihen verkauft. In Peru gewann der linke Kandidat Pedro Castillo überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahlen, und es schien, als dürfte er auch die Stichwahl in der zweiten Runde Anfang Juni gewinnen. Als Reaktion darauf wurden erhebliche Anteile an peruanischen Vermögenswerten verkauft.
„Ansteckungsgefahr“ gehört der Vergangenheit an
Anstelle von Zuflüssen und einer starken Performance im bisherigen Jahresverlauf gab es also einige Störfaktoren für Schwellenländeranleihen – von steigenden US-Zinsen bis hin zu einigen idiosynkratischen Überraschungen. Was bedeutet das künftig für die Anlageklasse?
Betrachtet man die Renditen in diesem Jahr etwas genauer, so gibt es durchaus Gründe, die für Schwellenländeranleihen sprechen. Die Tatsache, dass der Haupttreiber der Performance der Ausverkauf bei US-Treasuries war, ist ein Zeichen dafür, dass sich die Anlageklasse so verhält, wie man es von Anleihen aus Industrieländern erwarten würde. Darüber hinaus wurden alle vier idiosynkratischen Ereignisse reibungslos bewältigt – mit der möglichen Ausnahme von Peru, wo der zweite Wahlgang noch aussteht, wobei sich die Umfragewerte angenähert haben. In keiner der Regionen gab es eine „Ansteckung“ auf andere Schwellenländer oder innerhalb der gesamten Anlageklasse.
Unsere wichtigste Schlussfolgerung aus dem bisherigen Jahr ist, dass alles, was wir beobachtet haben, auf die zunehmende Reife von Schwellenländeranleihen als Anlageklasse hindeutet. Die Schocks und Turbulenzen, die wir früher in der Anlageklasse erlebt haben, gehören der Vergangenheit an. Gleichzeitig sind Schwellenländeranleihen eine der wenigen Anlageklassen, wo Anleger noch ein gesundes Renditeniveau finden: 5 Prozent im Falle des Staatsindex und 4,3 Prozent bei Unternehmensanleihen. In einer Welt, in der nur 11 Prozent der festverzinslichen Wertpapiere eine Rendite von über 3 Prozent aufweisen, ist das für Anleger sehr attraktiv.
Auf der Suche nach Alpha – Diversifizierung entscheidend
Nicht zuletzt sind Schwellenländeranleihen auch eine gute Möglichkeit für Anleger auf der Suche nach Alpha und einem Engagement in Wirtschaftswachstum. Insbesondere im Bereich der Unternehmensanleihen sehen wir viele Emittenten, die gesunde Bilanzen und einen angemessenen Verschuldungsgrad aufweisen, über Wachstumschancen verfügen und eine Rendite erzielen, die weit über dem liegt, was in den Industrieländern zu finden ist. Im Hinblick auf den ESG-Aspekt werden sich sowohl Anleger in Schwellenländeranleihen als auch die Emittenten immer mehr der Standards bewusst, die zu erfüllen sind, um Kapital anzuziehen, was eine weitere positive Entwicklung ist.
Auf regionaler Ebene liegt unsere größte Übergewichtung in Lateinamerika, wo wir Bottom-up-Chancen bei Titeln sehen, die höheren Rohstoff- und Energiepreisen ausgesetzt sind, sowie in den USA als Vorreiter des globalen Wachstums. Zudem sind wir auch in Afrika übergewichtet, wo uns die Fundamentaldaten ausgewählter staatlicher Emittenten überzeugen. Am deutlichsten untergewichtet sind wir in Asien, wo die Liquidität knapper ist und die Erholung nach der Pandemie bereits größtenteils stattgefunden hat. In ein breites Spektrum an Schwellenländeranleihen zu investieren, anstatt sich nur auf asiatische Hochzinsanleihen zu konzentrieren, bietet den Vorteil, kein konzentriertes Engagement in China eingehen zu müssen; die Volatilität im Fall von Huarong hat die Vorteile dieser Diversifizierung aufgezeigt.
Auch wenn das Jahr für Schwellenländeranleihen nicht so begonnen hat wie erwartet, so zeigt sich doch, dass sich die Anlageklasse unter Risikogesichtspunkten viel mehr wie die entwickelten Märkte verhält als in der Vergangenheit. Aus Ertragssicht sind die höheren Renditen und der Zugang zu Wachstum und Alpha jedoch viel attraktiver.
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Foto: Alejandro Arevalo © Jupiter Asset Management
Schwellenländeranleihen: Mit Weitsicht zu mehr Alpha?
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