Der weiter eskalierende Handelskrieg zwischen China und den USA wird auch das beherrschende Thema auf dem bevorstehenden G20-Gipfel in Buenos Aires sein. Doch schenken die Anleger dem Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt unter Umständen zu große Aufmerksamkeit? Diese Frage kommentiert Patrice Gautry, Chef-Volkswirt bei Union Bancaire Privée (UBP):
„Das Risiko, dass die USA die bereits angespannte Situation mit China im neuen Jahr weiter eskalieren lassen, besteht zwar, doch wird eine andere Gefahr für die Märkte und die Weltwirtschaft bisher verkannt. Die politischen Entscheidungsträger in den USA könnten nämlich ihre Aufmerksamkeit künftig wieder auf Europa lenken, um dasselbe strategische Ziel zu erreichen – die wirtschaftliche Isolierung Chinas.
Viele Marktteilnehmer werteten das Abkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada als wichtiges Zeichen dafür, dass sich die Handelsbeziehungen zwischen den nordamerikanischen Handelspartnern nach Monaten schwieriger Verhandlungen wieder entspannen könnten. Die Freude über das Abkommen lenkte leider von einer wichtigen Klausel ab, welche den Unterzeichnerstaaten – allen voran den USA – gestattet, vom Vertrag zurückzutreten, sollten Kanada oder Mexiko Freihandelsabkommen mit Ländern ohne Marktwirtschaft (d. h. China) abschließen.
Diese Klausel ist ein weiterer Beweis dafür, dass das eigentliche Ziel des US-Handelskriegs die zunehmende strategische Isolierung des Reichs der Mitte ist. Sollten die USA tatsächlich dieses Ziel verfolgen, könnten sie versucht sein, Europa ein ähnliches Handelsabkommen aufzuzwingen, das Chinas Zugang zum Kontinent einschränkt. Die USA haben Kanada und Mexiko durch Zölle auf Aluminium und Stahl unter ernsthaften Druck gesetzt und so an den Verhandlungstisch gebracht. Sie könnten zur Auffassung gelangen, dass es ebenso wirksam sein könnte, auch Europa wieder mit Strafzöllen auf Autoexporte in die USA zu drohen.“
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(Foto: Patrice Gautry © UBP)
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