Die EZB wünscht sich eine Inflation von leicht über 2 Prozent. In Europa haben wir bald eine Inflation von fast fünf Prozent. Optimisten unter den Volkswirten erwarten einen solch hohen Wert nur bis in den Sommer 2022 – Pessimisten sehen kein so baldiges Ende voraus. Solche Werte gab es in Deutschland seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. Die Inflation ist zurück. Trotzdem will die EZB an ihrer lockeren Geldpolitik zumindest im nächsten Jahr festhalten, denn die Zentralbank prognostiziert aufs Gesamtjahr eine europaweite Inflation von unter 2,2 Prozent – dem prognostizieren Durchschnittswert von diesem Jahr.
Wie wir in unseren Standpunkten schon mehrfach dargestellt haben, kann und wird es unserer Analyse nach keine Leitzinserhöhungen der EZB geben. Seit 2008 hat die EZB eine ganz neue Rolle: Weg vom Währungshüter hin zur politischen Institution. Die Zentralbankpräsidentin Lagarde weiß genau, dass Sie mit einer auf steigenden Zinsen ausgerichteten Politik die hoch verschuldeten südlichen Länder schnell in den Staatsbankrott schicken würde. Da mögen die geldpolitischen Falken noch so laut nach Preisstabilität rufen.
Doch zum Handeln sehen die Währungshüter im Frankfurter Eurotower keinen Grund. In Frankreich stehen im nächsten Frühjahr Präsidentschaftswahlen an und ob sich Lagardes Vorgänger Draghi noch ohne Neuwahlen in Italien im Sattel halten kann, steht auch in den Sternen. In beiden Ländern sind die rechten politischen Gruppierungen, die am liebsten aus der EU raus wollen, gerade ein bisschen abgedrängt worden. So zeigt sich auch gerade Italien Notenbankchef Visco besonders emsig, wenn es ums Festhalten an der gegenwärtigen Geldpolitik geht. Italien werde mit allen Mitteln große und anhaltenden Anstiege der Zinsen verhindern, weil sie durch die gegenwärtigen wirtschaftlichen Aussichten nicht gerechtfertigt seien. Ein Blick nach Griechenland lässt einen erschauern. Griechenland hat derzeit eine Verschuldung von mehr als 200 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das ist mehr als während der Griechenland-Krise.
Die politischen Auswirkungen einer veränderten Zinspolitik wären in diesen Ländern nicht absehbar. Nicht zu vergessen, im Jahr 2027 steht auch die Wiederwahl von Lagarde an. Zusätzlich – auch das darf nicht vergessen werden – steigen gerade wieder die Corona-Zahlen und die Konjunktur läuft entgegen der bis Mitte des Jahres gefertigten Prognosen nicht hoch. Wir sehen nur moderate Steigerungsraten, aufgrund nachhaltiger Unterbrechungen von globalen Lieferketten.
Was hat die Inflation und die lockere Zinspolitik für Auswirkungen auf den Kapital-markt? Die Bewertung der Aktienmärkte werden sich auch weiterhin stark am niedrigen Zinsniveauorientieren. Es drückt weiterhin einfach zu viel Geld in Ermangelung von Alternativen in die Aktienmärkte sowie weitere Assetklassen, Allen wiederkehrenden Unkenrufen zum Trotz werden auch die Wohn-Immobilienmärkte als Anlageklasse nicht einbrechen.
Staatsanleihen und Bonds von großen Unternehmen werden sich für Anleger weiterhin kaum lohnen. Hier wird auf kurze und mittelfristige Sicht gerade vor dem Hintergrund der Inflationsrate nur noch Geld verbrannt. Zusätzlich kauft die EZB mit dem umstrittenen Corona-Hilfspaket PEPP monatlich für bis zu 80 Milliarden Euro Anleihen auf. Im Gegensatz zu nicht staatlichen Investoren interessiert die EZB nicht, wieviel Milliarden durch negative Zinssätze und Inflation real durch den Schornstein gejagt werden.
Demgegenüber stehen nicht staatliche Investoren wie Pensionsfonds, Versicherer, Asset Manager, aber auch Privatanleger, die fürs Alter vorsorgen wollen und auch sollen. Bisher galt: Zur Absicherung sollte es im Depot Minimum ein Drittel Anleihen geben. Wenn aber dieser Teil des Depots von vorneherein einen faktischen Realver-lust von über 6 Prozent erwirtschaftet – dann wird es mit dem Sparen und Vorsorgen eng.
Deswegen weisen wir immer wieder darauf hin, den Markt für Mini-Bonds aufmerksam zu betrachten. Hier gibt es jährliche Renditen, die zumindest immer noch eine Verzinsung auch nach Einbezug der Inflationsrate schaffen. All Denjenigen, die jetzt auf das Ausfallrisiko in dieser Anlageklasse hinweisen, sei entgegengehalten, dass auch große Unternehmen nicht gegen den Untergang gefeit sind. Da können wir nur ganz kurz in den Rückspiegel schauen und sehen noch die rauchenden Trümmer des Dax-Konzerns Wirecard. Das lehrt uns: Nicht eine Anleiheklasse ist generell gut oder schlecht, sondern als Bond-Anleger sollte man die Stabilität von Geschäftsmodellen und Management beobachten und regelmäßig hinterfragen. Erscheint beides nachhaltig und können die versprochenen Zinsleistungen glaubwürdig in der Laufzeit gezahlt werden? Gerade der Blick auf das Management ist ein guter Seismograf, denn Probleme zeichnen sich oft durch überraschende Veränderung ab. Einem langjährigen und stabilen Management kann man eher vertrauen als Emittenten, bei denen es plötzlich große Veränderungen auf den Schlüsselpositionen gibt. Der Blick sollte insbesondere auch immer in Richtung des CFO gehen.
Zusammenfassend sehen wir keinen Anstieg der Zinsen in den nächsten Monaten und auch mittelfristig vermuten wir eher, dass die EZB bei ihrer Zinspolitik bleibt. Die wirtschaftliche Gesamtsituation lässt weiterhin eine hohe Inflation in Europa zu. An-leger werden nach gesunden Alternativen zu Staatsanleihen und großen Unternehmens-Bonds suchen müssen – eben neue, kluge, mutige und moderne Strategien.
Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 38.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.
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Foto: Kai Jordan © mwb Wertpapierhandelsbank AG
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