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Welche Haftstrafe haben Frank Günther und Wolf Waschkuhn zu erwarten? Interview mit Dr. Wolfgang Schirp, Schirp Schmidt-Morsbach Rechtsanwälte

© Pixabay

Frank Günther und Wolf Waschkuhn, Geschäfts­führer von One Square Advisors, wurden fest­genommen. Vorgeworfen wird ihnen Betrug, Markt­mani­pulation und Untreue. Ein mögliches Strafmaß kann nach Einschätzung von Dr. Wolfgang Schirp zwischen fünf und 15 Jahren betragen.

Doch für viele Anleger dürfte der Alptraum noch nicht vorbei sein. Bei Anleihe­gläubigern von Rickmers, SAG Solarstrom und Joh. Friedrich Behrens, die noch einen Auszahlungsanspruch gegenüber One Square haben, besteht das Risiko, dass diese den Anspruch nicht erfüllen kann. Zudem besteht das Risiko, dass sich bei einigen Distressed Anleihen niemand um das Amt des Gemeinsamen Vertreters kümmert, da dies wohl wirtschaftlich uninteressant ist.

BOND MAGAZINE: Die One Square Advisors-Geschäftsführer Frank Günther und Wolf Waschkuhn wurden festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft. Welche Delikte werden ihnen vorgeworfen und mit welchen Haftstrafen ist zu rechnen?

Dr. Schirp: Bei Sympatex geht es um Marktmanipulation, das ist ein Straftatbestand, der originär aus dem europäischen Recht stammt. Außerdem geht es um Betrug und Anlagebetrug. Der Tatverdacht richtet sich gegen Frank Günther. Es ist imponierend, wie entschlossen die Staatsanwaltschaft München die komplexen Sachverhalte aufgearbeitet hat. Ohne Strafrechtler zu sein, möchte ich schätzen, dass hier schon Freiheitsstrafen von fünf Jahren im Raum stehen. 

BOND MAGAZINE: Bei Rickmers, SAG Solarstrom und Joh. Friedrich Behrens besteht wohl der Verdacht der Untreue. Wie ist hier das Strafmaß?

Dr. Schirp: Der Tatverdacht richtet sich auch gegen den zweiten One Square-Geschäftsführer Wolf Waschkuhn. Die Regelstrafrahmen dieser Wirtschaftsdelikte gehen bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen – bei gewerbsmäßiger Begehung – kann die Freiheitsstrafe aber auch darüber hinaus gehen. Bei mehreren Delikten wird eine Gesamtstrafe gebildet.

BOND MAGAZINE: Man kann aber nicht das Strafmaß von bis zu fünf Jahren für jedes Delikt zu einer Gesamtstrafe addieren, oder? Also für Betrug, Marktmanipulation und Untreue jeweils fünf Jahre?

Dr. Schirp: Nein, das wird nicht passieren. Es wird eine Gesamtstrafe geben, die das Gesamtbild der Taten angemessen abbilden soll. Die Gesamtstrafe kann auch höher als fünf Jahre sein. Das Höchstmaß der Freiheitsstrafe beträgt in Deutschland 15 Jahre. Die wird in diesem Fall natürlich nicht verhängt werden. Ein mögliches Strafmaß kann zwischen fünf und 15 Jahren betragen.

BOND MAGAZINE: Wie ist es bei schweren Fällen und bei einer gewerbsmäßigen Begehung? Wenn die Delikte, über die in Medien berichtet wird, stimmen, dann scheinen die Beschuldigten wohl wenig ausgelassen zu haben.

Dr. Schirp: Besonders schwere Fälle und eine gewerbsmäßige Begehung können strafverschärfend wirken. Ich halte es für naheliegend, dass die Staatsanwaltschaft von einer gewerbsmäßigen Begehung ausgeht und dass das Gericht dem folgt.

BOND MAGAZINE: Gibt es weitere Transaktionen von One Square, die auffällig sind?

Dr. Schirp: In der Sprache des Sergio Corbucci-Westerns könnte man sagen: „Leichen pflastern ihren Weg“. Es gibt kaum ein Verfahren, das nicht auffällig gewesen wäre. Wenn ich zwei „highlights“ herausgreifen soll: Bei der Deutschen Lichtmiete hat es Frank Günther geschafft, sämtliche werthaltige Assets aus der Insolvenzmasse einer vermeintlichen Fortführungsgesellschaft zuzuschanzen, die ihm selber gehörte. Und diese Fortführungsgesellschaft hat niemals einen einzigen Cent Kaufpreis bezahlt! Es dürfte sich, bei Lichte betrachtet, um den dreistesten Raubzug der deutschen Insolvenzgeschichte handeln. Immerhin konnte dieser Raubzug durch enorme Gegenwehr nunmehr endlich gestoppt werden.  Derzeit arbeiten wir einen weiteren Fall auf, und zwar die ESPG-Anleihe. Diese ist nach dem StaRUG restrukturiert worden, insofern juristisch ein Novum, obwohl dafür bei Lichte betrachtet keinerlei Notwendigkeit bestand. Bei dieser Anleihe liegt uns auch ein spannendes internes Dokument vor, das Frank Günther noch selbst – wahrscheinlich versehentlich – geleakt hat und das sein böswilliges Hineingrätschen zeigt. Bei dieser Anleihe arbeiten wir gerade einen schönen Angriff aus, der auch über den konkreten Fall hinaus üble Marktpraktiken adressieren wird. Ich freue mich darauf.

BOND MAGAZINE: Bei Rickmers, SAG Solarstrom und Joh. Friedrich Behrens hat One Square Quotenausschüttungen nur an die Anleihegläubiger vorgenommen, die sich aktiv bei One Square gemeldet hatten. Es gab keine Ausschüttung über Clearstream. D.h. einige Anleihegläubiger haben Ausschüttungen erhalten, andere nicht. Wie kann diese Situation wieder in Ordnung gebracht werden?

Dr. Schirp: Rechtlich haben die betroffenen Anleger gegen One Square einen Anspruch auf Nachzahlung. Es stellt sich aber die Frage, ob One Square den Anspruch noch erfüllen kann. Denn es hat den Anschein, dass Gelder verschwunden sind. Es bleibt abzuwarten, ob der Schaden wieder gutgemacht werden kann.

BOND MAGAZINE: Offensichtlich hat sich ein Teil der Anleger nicht aktiv bei One Square gemeldet, weil sie möglicherweise davon nichts mitbekommen haben. Ich glaube nicht, dass sich viele Anleger, die sich in der Vergangenheit nicht gemeldet haben, jetzt melden.

Dr. Schirp: Faktisch werden sich wohl viele Anleger nicht melden und ich befürchte, dass sie auch nichts mehr bekommen werden.

BOND MAGAZINE: Können sich Straftäter bei einer Verurteilung auch auf eine beschränkte Haftung ihrer GmbH oder vergleichbarer ausländischer Gesellschaften berufen oder gibt es eine Durchgriffshaftung?

Dr. Schirp: Der Gedanke an eine Durchgriffshaftung liegt bei diesem Sachverhalt mehr als nahe, das wird zu prüfen sein.

BOND MAGAZINE: Wie unterscheidet sich die Untersuchungshaft von einer normalen Haftstrafe?

Dr. Schirp: Die U-Haft ist ein gravierender Eingriff, der vor der strafrechtlichen Verurteilung erfolgt, also bei fortbestehender Unschuldsvermutung. Die U-Haft setzt zum einen den dringenden Tatverdacht voraus, daneben die sogenannte Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr. Fluchtgefahr bedeutet, dass sich der Verdächtige selbst davonmacht. Verdunkelungsgefahr bedeutet, dass er die Aufklärung der Tat behindert, indem er zum Beispiel Zeugen unter Druck setzt oder Unterlagen verschwinden lässt. Wenn die Ermittlungsbehörden einen solchen Sachverhalt bejahen, können sie den Verdächtigen schon vor einer strafrechtlichen Verurteilung festnehmen.

BOND MAGAZINE: Anleger haben wohl das Vertrauen in One Square verloren. Wie können die Mandate als Gemeinsamer Vertreter von Anderen wahrgenommen werden?

Dr. Schirp: Man kann zwei Gruppen von Mandaten unterscheiden. Es gibt die Mandate, die formell bei der Schweizer One Square-Gesellschaft liegen; bei diesen Mandaten kann man mit guten Gründen die Auffassung vertreten, dass derzeit überhaupt keine Vertretung der Anleger gegeben ist, also dringend jemand Neues gewählt werden muss. Daneben gibt es die Mandate der deutschen One Square-Gesellschaften, die de facto auch verwaist sind, also aus praktischen Gründen nachbesetzt werden sollten.  

BOND MAGAZINE: Aber sind die Mandate überhaupt noch für Andere interessant? Besteht die Gefahr, dass sich niemand um einige Distressed Anleihen kümmert, weil es unwirtschaftlich ist?

Dr. Schirp: Dieses Risiko sehe ich tatsächlich. Da, wo für die Anleger noch verfolgenswerte Sachziele erkennbar sind, sollten sie sich dennoch zusammenschließen und die Voraussetzungen schaffen, dass noch etwas vorangeht. Ich denke, wir müssen es im Einzelfall beurteilen und Vorschläge machen.  

Das Interview führte Christian Schiffmacher, www.fixed-income.org 

Dr. Wolfgang Schirp, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei Schirp Schmidt-Morsbach Rechtsanwälte PartG mbB, Berlin, hat wegen der „Restrukturierung“ der Smart Solutions Holding GmbH (vormals Sympatex Technologies GmbH) Strafanzeige erstattet und vertritt Anleger im Zivilprozess.

www.fixed-income.org 


 

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