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2011: Aussichten für europäische Staatsanleihen

von David Scammell, Leiter britische und europäische Zinsstrategien

Das Jahr 2010 war in erster Linie von dem Ausfallrisiko von Staatsanleihen geprägt. Nach Griechenland im Mai und Irland im November steht fest, dass Europa seine Probleme nur durch entschlossenes Handeln in den Griff bekommen kann. Rettungsaktionen, die das Problem eindämmen sollen, bevor daraus Schlimmeres entsteht, können die Märkte zwar vorübergehend beruhigen. Dennoch stehen wir zu Beginn des neuen Jahres vor vielen unbeantworteten Fragen: Wird die Öffentlichkeit Sparmaßnahmen akzeptieren, und wird die Politik auch zukünftig zu haushaltspolitischen Einschnitten bereit sein? Werden sich die betroffenen Staaten selbst finanzieren können? Werden Anleihengläubiger künftig Verluste akzeptieren müssen? Wird die Europäische Zentralbank (EZB) die subventionierte Liquiditätsunterstützung zurücknehmen, oder wird sie sich zu einer groß angelegten quantitativen Lockerung gezwungen sehen?

Wir sind keine Hellseher, doch dank der wichtigen Lektionen des vergangenen Jahres konnten wir die zentralen Impulsgeber für 2011 identifizieren und unsere strategische Einschätzung entsprechend darauf ausrichten.

Staatsschuldenkrise – warum gerade jetzt?

Die eigentliche Ursache des Staatsschuldenproblems in der Eurozone wird vielschichtig diskutiert. Klar ist jedoch, dass die globale Finanzkrise in den Volkswirtschaften der europäischen Peripherie einen geschwächten Bankensektor sowie eine rasant steigende Staatsverschuldung hinterlassen hat. Das ungleiche Wirtschaftswachstum ist ein zentraler Faktor, und die von Europa gewählte haushaltspolitische Konsolidierung hat das Problem noch verstärkt, da aggressive Sparmaßnahmen in diesen Ländern erst recht zu einem langsameren Wachstum führen. Die Randstaaten der Eurozone haben als Reaktion auf diese Bedenken einen dramatischen Anstieg der Zinsen und somit der Finanzierungskosten verzeichnet. Daneben fürchtet der Markt weitere Rekapitalisierungen von Banken, die die Situation noch verschlimmern würden. Es überrascht daher nicht, dass die Zahlungsfähigkeit einiger dieser Länder mittlerweile vielfach angezweifelt wird.

Welche positiven Seiten hatte 2010?

Obwohl der Weg zu einer nachhaltigen Schuldensituation noch weit ist, nehmen wir aus dem vergangenen Jahr drei wesentliche positive Erkenntnisse mit: Erstens besitzt Europa für den Umgang mit Staatskrisen jetzt eine Art Handlungsrahmen, und die Erfahrungen, die die Politiker dabei gemacht haben, können sich 2011 als unschätzbar erweisen. Zweitens hat die EZB (wenn auch nur widerwillig) damit begonnen, Staatsanleihen zu kaufen und im Zuge dieser Käufe Papiere im Wert von über 70 Mrd. EUR am Sekundärmarkt erworben. Drittens schließlich hat die EZB im Jahresverlauf 2010 die von ihr bereitgestellte Notliquidität schrittweise wieder abgezogen – ein Zeichen des Vertrauens in die Nachhaltigkeit der Konjunkturerholung und eine Bestätigung dafür, dass der Bankensektor wieder in besserer Verfassung zu sein scheint. Obwohl der Liquiditätsabzug positiv zu werten ist, gibt es ein Problem. So hat die EZB klar gemacht, dass Nullzinsen zu Verzerrungen führen und sie daher das Zinsniveau, idealerweise so bald wie möglich, gern normalisieren würde. Erreicht wird dies entweder durch die Abschaffung der unbegrenzten Finanzierung von Banken oder durch eine Erhöhung des Refinanzierungssatzes. Die Randländer der Eurozone würden von einer solchen Normalisierung nicht profitieren, wohl aber die stärksten Mitgliedstaaten, die die Politik traditionell maßgeblich beeinflussen. Für die angeschlagenen Finanzinstitute in den Peripherieländern besteht dabei die Gefahr, dass sich die Situation weiter verschärft, und das, obwohl sie im Grunde auf weitere Unterstützung angewiesen sind.

Wird die EZB quantitative Lockerungsmaßnahmen ergreifen?

Einige Vertreter im EZB-Rat (vor allem die deutschen Mitglieder) sperren sich aus ideologischen Gründen gegen den Massenkauf von Anleihen, da sie ein Anheizen der Inflation befürchten. Diese Furcht wurzelt in der Hyperinflation der Weimarer Republik in den 1920er-Jahren. Würde die EZB den Weg der quantitativen Lockerung wählen, ließen sich damit die Probleme Europas wahrscheinlich über Nacht lösen. Die Wertpapierkäufe der US-Notenbank Federal Reserve belaufen sich auf ca. 2 Bio. USD oder 14 % des BIP. Auch die Bank of England hat eigene Staatsanleihen aufgekauft, und zwar im Umfang von 200 Mrd. GBP bzw. 13 % des BIP. Wendet man diese Größenverhältnisse auf die Eurozone an, die 9 Bio. EUR erwirtschaftet, könnte die EZB Staatsanleihen im Wert von 1,2 bis 1,3 Bio. EUR kaufen. Wären allein die Randstaaten Ziel der Käufe, ließen sich mit 1 Bio. EUR die gesamten ausstehenden Schulden von Irland, Portugal, Griechenland und Spanien (ca. 850 Mrd. EUR) aufkaufen, und es bliebe immer noch genug übrig, um auch einen beträchtlichen Teil der ausstehenden Anleihen Italiens (ca. 1,4 Bio. EUR) zu übernehmen.

Die EZB verfügt über die nötige Feuerkraft, doch das Anwerfen der Notenpresse und die Monetisierung weiterer Schulden würden das politische Establishment in Deutschland erzürnen. Europa hat durchaus Möglichkeiten, die Frage ist nur, ob die politischen Verantwortlichen auch gewillt sind, diese zu ergreifen? Unserer Meinung nach könnte die EZB ein massives Anleihenkaufprogramm starten. Diesen Weg wird die Europäische Zentralbank aber wohl erst beschreiten, wenn die Renditen von Staatsanleihen aus Randstaaten weiter merklich steigen.

Europa hat sein Schicksal selbst in der Hand

Das Länderrisiko wird auch 2011 wieder ein beherrschendes Thema sein. Die in den Peripherienationen erforderlichen strukturellen Anpassungen werden Jahre brauchen. Griechenland und Portugal haben ihre Haushaltsziele für 2010 nicht erreicht. Die politischen Verantwortlichen müssen die fiskalische Glaubwürdigkeit schnellstmöglich wiederherstellen, wenn sie eine Ansteckung der übrigen Peripherie vermeiden wollen.

Als Ganzes genommen befindet sich die Eurozone allerdings in einer besseren finanziellen Lage als die USA oder Großbritannien. Das Problem Europas sind die mangelnden finanziellen Transfers zwischen den Mitgliedstaaten. Ohne Finanztransfers begünstigen die realen Zinsen im gesamten Währungsblock ein Auseinanderdriften der Staaten. Nehmen wir zum Beispiel das Wachstum in Deutschland. Wir rechnen für 2011 mit unverändert beeindruckenden Daten aus Deutschland, was die EZB unter Druck setzen wird, die Zinsen zu erhöhen. Die Länder in der Peripherie dürften indes ein geringes oder gar negatives reales Wachstum verzeichnen und benötigen daher weiterhin extrem niedrige Zinsen. Wenn dann schrumpfenden, deflationären Volkswirtschaften höhere Zinsen aufgebürdet werden, leidet das Wachstum weiter, und das Verhältnis von Verschuldung zum BIP steigt. Dies schafft eine Situation, die schnell untragbar wird (siehe Griechenland und Irland). Wenn in Großbritannien dagegen beispielsweise Schottland ein schwächeres Wirtschaftswachstum verzeichnet als England, wird dieses Ungleichgewicht mittels finanzieller Transfers behoben. Die Investitionen werden in Form von Zuschüssen oder Infrastrukturausgaben getätigt, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Transferleistungen ermöglichen eine einheitliche Währungspolitik für ganz Großbritannien. In Europa entwickeln sich Exportnationen wie Deutschland gut. Die Randstaaten, die auf die Binnennachfrage angewiesen sind, stehen dagegen unter Druck. Die Option von Finanztransfers von Deutschland in die Länder der Peripherie steckt voller politischer Risiken, und im Augenblick scheinen weder die Politiker noch das Wahlvolk dafür bereit zu sein.

Wer kommt für die Rettung angeschlagener Staaten auf?

Bei aller Unsicherheit können wir uns einer Sache gewiss sein: Die Last der Staatsverschuldung werden entweder die Steuerzahler oder die Anleihengläubiger schultern müssen. Da die Menschen sich weigern, einen niedrigeren Lebensstandard zu akzeptieren, würden Politiker aus Furcht vor sozialen Unruhen es gerne sehen, wenn die Inhaber der betroffenen Anleihen einem Forderungsverzicht (Haircut) zustimmen. Ein Ausfall und eine Schuldenrestrukturierung sind demnach eine Option, die jedoch wahrscheinlich zu starken Verwerfungen führen würde. Zudem besteht die Gefahr dauerhaft höherer Renditen, sollten Staatsanleihen nicht länger als „risikolose“ Anlagen betrachtet werden. Zwar dürften neue Anleihen kaum mit expliziten Lastenteilungsklauseln ausgestattet werden, allerdings halten wir die Aufnahme von „Collective Action Clauses“ für möglich.

Werden sich Staaten und Banken 2011 selbst finanzieren können?

Obwohl 2011 weniger Anleihen emittiert werden dürften, besteht für die Länder der EU‑Peripherie aufgrund der deutlich gesunkenen Nachfrage nach wie vor ein Finanzierungsrisiko. Viel hängt davon ab, inwieweit die Märkte diese Länder attackieren – die Herabstufung durch Ratingagenturen könnte etwaige Finanzierungsprobleme noch verschärfen. Wenn sich die internationalen Investoren von Peripherieanleihen abwenden, werden sich die betroffenen Staaten verstärkt auf die Binnennachfrage nach ihren Anleihen verlassen müssen. Länder wie Italien, deren Anleihen zu einem großen Teil im Inland gehalten werden, sind dadurch besser gestellt als Länder, in denen dies nicht der Fall ist.

Dass nach Griechenland derart schnell auch andere Peripherieländer ins Straucheln geraten sind, war eine ziemliche Überraschung. Die Märkte sind daher absolut nicht in der Stimmung, weitere fiskalische Probleme zu tolerieren. Dies veranlasst uns zu der Annahme, dass Portugal Hilfe benötigen wird. Das Land hat seine Haushaltsziele für dieses Jahr nicht erreicht, und es wird Jahre dauern, ehe die strukturell niedrige Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit behoben sind. Noch wichtiger ist die Frage, inwieweit spanische Anleihen 2011 unter Druck geraten werden. Der Emissionskalender Spaniens ist gut gefüllt und die Schwäche im Bankensektor immer noch offensichtlich. Allerdings hat die Regierung Schritte zur Einschränkung der öffentlichen Ausgaben unternommen, während ein Teil der Banken in den letzten Monaten mit Erfolg an die Märkte zurückgekehrt ist. Für jedes Land, das sich für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung entscheidet, besteht das größte Risiko letztlich in einem starken Anstieg der Finanzierungskosten. Die künftige Entwicklung wird daher maßgeblich vom Vertrauen bzw.der Skepsis der Anleger beeinflusst.

Zur Lösung der Probleme Europas bedarf es entweder eines dynamischeren Wachstums, besserer Haushaltszahlen oder aggressiverer Maßnahmen seitens der EZB. Da Wachstum und Haushaltskonsolidierung fraglich sind, muss die EZB unseres Erachtens möglicherweise mehr dafür tun, um das Überleben des Euro sicherzustellen. Ohne ein entschiedeneres Eingreifen dürften die Länder der Eurozone wirtschaftlich immer weiter auseinanderdriften.

Was bedeutet all dies für unsere Strategie?

Ähnlich wie 2010 werden die Kernländer der Eurozone auch 2011 ihr Wachstumspotenzial nahezu ausschöpfen, während die Inflation gedämpft bleibt. In diesem Umfeld steht die EZB kaum unter Druck, die Zinsen zu erhöhen. Die daraus resultierende Verankerung des kurzen Endes der Renditekurve dürfte Anleihen eine gewisse Unterstützung bieten. Sie ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sich die Renditen zurzeit auf einem untragbar niedrigen Niveau befinden. Ohne umfangreiche Unterstützung seitens der EZB würden die Bewertungen nahe legen, dass die Renditen von ihrem gegenwärtigen Niveau aus steigen müssen. Die Spreadvolatilität dürfte weiter anhalten. Unseres Erachtens werden sich dabei die Spreads von Anleihen der Euro-Peripheriestaaten gegenüber Deutschland ausweiten, da ihre Renditen steigen und deutsche Staatsanleihen eine Outperformance erzielen werden. Unter den Kernländern haben wir in Frankreich einige strukturelle wirtschaftliche Anfälligkeiten ausgemacht und beurteilen französische Staatspapiere somit vorsichtig. Im Rahmen unserer Strategie gewichten wir Deutschland daher über, während wir Frankreich untergewichten und uns von Peripherieanleihen ganz fernhalten.

Was ist mit Großbritannien?

Die Märkte haben die Sparmaßnahmen der Koalitionsregierung begrüßt, sodass britische Staatsanleihen 2010 eine relativ gute Entwicklung zeigten. Auch wenn Großbritannien nicht in die Probleme Europas verwickelt wird, so hat das Land doch selbst Schwierigkeiten. Besondere Sorge bereitet der Bank of England die beharrlich hohe Inflation, die im Verbund mit dem schwachen Wirtschaftswachstum des Landes die relative Stärke der britischen Staatsanleihen fragwürdig erscheinen lässt. Trotz der hartnäckigen Inflation will der Markt die Möglichkeit einer weiteren quantitativen Lockerung in Großbritannien nicht ausschließen. Dies hängt mit der Erklärung der britischen Notenbank zusammen, sie betrachte die quantitative Lockerung als Sicherungsmaßnahme. Sollte sich das Wirtschaftswachstum stärker abschwächen als derzeit angenommen wird, könnte sie davon wieder Gebrauch machen. Dies ist jedoch nicht unser Basisszenario. Wir glauben sogar, dass die Bank of England als erste der westlichen Zentralbanken in diesem Jahr die Zinsen anheben wird.


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