Die Erholung der Weltwirtschaft erhält erste Kratzer. Aufgrund steigender Coronafallzahlen machen sich wieder vermehrt Wachstumsängste breit. An den Finanzmärkten sind die Inflationssorgen in den Hintergrund gerückt. Die Wachstumsaussichten bleiben indes ansprechend. Während die Weltwirtschaft im 3. Quartal auf den konjunkturellen Höhepunkt zusteuert, zeichnet sich eine Wachstumsrotation ab. Die USA haben den Zenit durchschritten, in der Eurozone nimmt die Erholung hingegen weiter Fahrt auf. Gewisse Lieferengpässe erweisen sich als hartnäckig und ausgeprägte Aufholeffekte halten den Preisdruck hoch. Letztlich wird sich die Inflation aber wieder abschwächen, was den Notenbanken in den Industrienationen erlaubt, die ultraexpansive Geldpolitik äußerst behutsam zurückzufahren.
Übertriebener Renditerückgang
Die Marktteilnehmer wurden angesichts der schnellen Ausbreitung der COVID-19-Varianten nervös und fragten sich, ob das Wachstum und die Aussichten auf eine Normalisierung der Geldpolitik durch die Zentralbanken zurückgedrängt werden. Die 10-jährigen US-Renditen fielen zum ersten Mal seit Februar wieder unter die Marke von 1,30 Prozent. Die vielen Short-Positionierungen am Terminmarkt begünstigten die Rally am US-Anleihenmarkt ebenfalls. Die Marktteilnehmer setzten auf steigende Renditen und haben nun ihre Positionen teilweise glattgestellt. Positionsauflösungen bei einer austrocknenden Marktliquidität vor dem Sommer haben den abrupten Renditerückgang zusätzlich befeuert. Die extremen Short-Positionierungen wurden nun wieder abgebaut. Das Sentiment am US-Anleihenmarkt ist nun wieder etwas ausgewogener, wenn auch noch weit entfernt davon, „bullish“ zu sein.
Hohe Volatilität bei zunehmenden COVID-Fällen
An den Anleihenmärkten steht die Rally in Kontrast zum nach wie vor positiven Wirtschaftsausblick. Die Konjunkturdynamik wird im 2. Halbjahr 2021 zwar abnehmen, was die Renditen normalerweise belastet. Das Wachstum der Wirtschaft bleibt jedoch deutlich über dem Trend. Die Renditen haben die starke Konjunkturexpansion nur beschränkt nachvollzogen. Die Diskrepanz zu den konjunkturellen Vorlaufindikatoren der Industrie (ISM Manufacturing) ist am aktuellen Rand deutlich größer als in vergangenen Zyklen. Die Wertpapierkäufe der Notenbanken halten die Renditen auf einem künstlich tiefen Niveau. Der US-Arbeitsmarkt wird sich über den Sommer hinweg jedoch weiter erholen und wir glauben, dass die nächsten zwei Arbeitsmarktberichte der US-Notenbank Fed genügend Argumente für die Ankündigung einer Reduktion der Wertpapierkäufe im September liefern – voraussichtlich mit Start Anfang 2022. Das spricht erneut für ein steigendes Renditeumfeld auf globaler Ebene. Die Volatilität am Anleihenmarkt wird bei zunehmenden COVID-Fällen und Unsicherheit über die zukünftige Ausrichtung der Geldpolitik hoch bleiben.
Breite Erholung der zyklischen Währung passé
Der Monat Juli war auch am Devisenmarkt von steigenden Wachstumssorgen geprägt. Zum einen begünstigte dies insbesondere Zufluchtswährungen wie den Schweizer Franken und den japanischen Yen. Zum anderen wurden dadurch insbesondere die Rohstoffwährungen abgestraft und auch der Euro musste weiteres Terrain hergeben. Die Sorge um das Anhalten der Konjunkturerholung erscheint uns angesichts des in vielen westlichen Währungsräumen erreichten Impfschutzes und der sich nicht weiter verschärfenden Lieferengpässe etwas überzeichnet. Nichtsdestotrotz, auf globaler Ebene wurde der Höhepunkt in der Erholungsdynamik bereits überschritten, was durch wieder sinkende Einkaufsmanagerindizes (PMI Composite) signalisiert wird. In der Vergangenheit war dies ein guter Indikator, dass die Phase einer breit abgestützten Erholung der zyklischen Währungen vorbei ist
Aktien: Berichtssaison bietet erneut Rückenwind
Die Gewinnberichtssaison für das 2. Quartal wird noch einige Wochen dauern, als Zwischenfazit lässt sich aber festhalten, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen wie in den vergangenen Quartalen auf der positiven Seite überrascht. In ihrer Vorausschau zeigen sich die Unternehmen zuversichtlicher als zuvor in Aussicht gestellt. Zu den großen Unsicherheitsfaktoren gehören die Lieferengpässe bei Vor- und Zwischenprodukten. Allerdings mehren sich die Lichtblicke bei der Beseitigung der Engpässe in der Wertschöpfungskette. Diese guten Nachrichten werden von den Investoren zwar überwiegend honoriert, die Kursreaktionen sind aber weniger euphorisch als in den vergangenen Berichtsaisons, was darauf hindeutet, dass die Erwartungen der Investoren mittlerweile recht hoch sind.
Europas Aktienmärkte mit Potenzial
Unsere favorisierte Aktienregion innerhalb der Industriestaaten bleibt Europa. Dafür sprechen neben der relativen konjunkturellen Dynamik auch aktienspezifische Indikatoren wie Gewinnrevisionen, Gewinnwachstum oder Bewertung. Diese Vorteile spiegelten sich bislang jedoch nicht in relative Stärke am Aktienmarkt wider. Einen wesentlichen Grund dafür sehen wir in der Entwicklung der Coronapandemie und den Maßnahmen dagegen. Die vergangenen Wochen zeigten ein uneinheitliches Bild mit Öffnungsschritten einerseits und neuen Restriktionen andererseits. Entscheidend für die Aktienmärkte könnte deshalb die Corona-Entwicklung in Großbritannien werden. Dort stiegen die Fallzahlen trotz hoher Impfrate kräftig an. Allerdings verringerte sich die Todesrate deutlich und die Fallzahlen sanken zuletzt im Juli stark. Sollte sich erweisen, dass der ökonomische Rückschlag durch die jüngste Coronawelle in Großbritannien klein bleibt, fiele ein gewichtiger Dämpfer für die Aktienmärkte in Europa.
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Foto: © Csaba Nagy auf Pixabay
Aussicht auf steigende Renditen bei Anleihen
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