Mehr als die Hälfte des Jahres ist inzwischen vergangen und auf den Rentenmärkten hat sich insgesamt nur wenig getan. Renditen und Spreads sind zurückgegangen, allerdings nur geringfügig im Vergleich zu den allgemeinen Marktbewegungen der letzten Jahre. Die (sowohl realisierte als auch implizierte) Volatilität ist dank dieser Stabilität, die den Maßnahmen der Zentralbanken zu verdanken ist, auf ein niedriges Niveau gesunken. Es lässt sich nur schwer – wenn überhaupt – vorhersagen, wie lange dieses Umfeld Bestand haben wird, bevor der nächste große Volatilitätsschub einsetzt. Zahlreiche Szenarien oder Handlungsbögen könnten angesichts der jüngsten Vergangenheit und des längerfristigen zyklischen Verhaltens der Märkte für Anleger von Interesse sein. Wir haben zwei dieser möglichen Szenarien ausgewählt, die hoffentlich dazu beitragen, die möglichen Entwicklungen zu skizzieren, mit denen Anleger in den nächsten Jahren rechnen können.
Mögliches Szenario Nummer 1:
Wir sind der Auffassung, dass Anleger in ihren Ansichten und Erwartungen in den letzten Jahren etwas von den Kursbewegungen beeinflusst wurden und heute generell genauer auf mögliche Risiken achten als früher. 2008/9 traf die Finanzkrise den Markt für festverzinsliche Wertpapiere, insbesondere verbriefte Schuldtitel und Schuldverschreibungen von Banken. Die Staatsschuldenkrise der Eurozone erreichte 2011 ihren Höhepunkt, und 2013 gerieten Schwellenländeranleihen ins Taumeln. In all diesen Fällen entlud sich der zugrunde liegende Druck, der sich über mehrere Jahre aufgebaut hatte, abrupt zu dem Zeitpunkt, als Anleger ihre Aufmerksamkeit auf die zugrunde liegenden Fundamentaldaten richteten.
Wir haben den Eindruck, dass die Anleger bei den meisten Anlagekategorien etwas sensibler für mögliche Risiken geworden sind. Der massenhafte Kauf von mit AAA gerateten, mit Subprime-Hypotheken verbrieften Wertpapieren oder südeuropäischer Staatsanleihen oder von Wertpapieren illiquider, verschuldeter, von externer Finanzierung abhängiger Emittenten in Schwellenländern – und das nur aufgrund höherer Renditen - hat Anlegern in den letzten Jahren mehr Kopfschmerzen als alles andere beschert. Unserer Ansicht nach sind sich die Märkte der möglichen Risiken festverzinslicher Wertpapiere heute stärker bewusst als in der Vergangenheit. Auch wenn die Spreads in den letzten Jahren deutlich gesunken sind, gibt es dafür nach wie vor gute Gründe, allen voran die politischen Maßnahmen von Regierungen und Zentralbanken zur Stabilisierung des Konjunkturumfelds.
Ironischerweise könnte genau dieses geschärfte Risikobewusstsein zu einem weniger volatilen Anlageumfeld führen, das auch über einen längeren Zeitraum Bestand haben könnte. Der stärker fokussierte Risikoansatz könnte häufiger leichte oder gelegentlich auch stärkere Wellen der Volatilität mit sich bringen. Gleichzeitig dürfte dadurch aber auch die Gefahr von „Monsterwellen“ oder sogar gelegentlichen „Tsunamis“, die über die Märkte hereinbrechen und für Verwüstung sorgen, abgefedert werden. In diesem Umfeld dürften Unternehmensanleihen zwar geringe, aber immerhin positive Renditen generieren, zumindest kurzfristig.
Derartige Finanzmarktbedingungen haben nicht unbegrenzt Bestand. Von den meisten Anlegern unbemerkt, werden die Risiken zunehmen, entweder aufgrund einer Vernachlässigung der notwendigen Sorgfalt oder einfach aufgrund einer Veränderung des Anlageumfelds. Möglicherweise müssen wir noch etwas warten, bis sich die endgültige Entwicklung abzeichnet.
Mögliches Szenario Nummer 2:
Die Maßnahmen der Zentralbanken haben zu Marktverzerrungen geführt. Insbesondere haben sie die Risikoprämien auf ein sehr niedriges Niveau gedrückt. Wenn diese Konjunkturanreize auslaufen, dann wird es wahrscheinlich zu erheblichen Turbulenzen kommen und Spreads, Renditen und Volatilität dürften steigen.
Die Voraussetzung dafür, dass eine Zentralbank die geldpolitischen Zügel strafft, wäre eine
Verschlechterung der Inflationsaussichten. Eine Aufhellung der Konjunktur mit wenig inflationärem Druck wäre das „Goldlöckchen“-Szenario. Ganz anders dagegen ein Umfeld, in dem ein relativ lustloses Wirtschaftswachstum zu einer Verschärfung der Lage am Arbeitsmarkt und zu Lohndruck führt: Ein solches Umfeld dürfte eine Änderung des Verhaltens der Zentralbanken und eine Anhebung der Zinsen auslösen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine solche Zinsstraffung schneller eintreten kann als vom Markt erwartet.
Ein unkontrolliertes Ende der Konjunkturanreize ist aufgrund des „Multiplikatoreffekts“ mit erheblichen Risiken verbunden. Der Bestand an ausstehenden Anleihen ist sehr hoch, gleichzeitig ist die Liquidität auf den Sekundärmärkten für festverzinsliche Papiere relativ gering. Diese Kombination ist instabil und explosiv. Eine ähnliche, wenn auch weniger dramatische Situation hatten wir im zweiten Quartal 2013. Damals lösten Spekulationen über das Zurückfahren der Anleihekäufe der US-Notenbank Turbulenzen bei Schwellenländeranleihen aus.
Derartige Bedingungen könnten sich erheblich auf die Kreditmärkte auswirken. Wir können uns ein Szenario mit weniger (und gleichzeitig zu höheren Kosten) verfügbaren Finanzmitteln und niedrigeren Margen bei gleichzeitig steigendem Lohndruck vorstellen. Die Folgen dürften Schwierigkeiten bei der Refinanzierung sowie eine höhere Zahl von Zahlungsausfällen sein. Unternehmensanleihen und Anleihen aus Schwellenländern, insbesondere High-Yield-Papiere, würden in diesem Fall unter Druck geraten.
Im Lauf der Zeit werden sich die Dinge wieder einpendeln, aber bis dahin wird die Entwicklung sehr turbulent verlaufen.
Die Stolpersteine einer „zentralen These“ vermeiden
Unserer Ansicht darf man nicht nur ausgehend von einer „zentralen These“ investieren, sondern muss auch die verschiedenen möglichen Entwicklungen auf den Anlagemärkten und die Wahrscheinlichkeit derartiger Entwicklungen berücksichtigen. Kreditmärkte haben in den letzten Jahren einen starken Höhenflug vollzogen, dadurch hat sich die allgemeine Verteilung der Renditen, die Anleger in der Zukunft erwarten können, verändert. Derzeit preist der Markt das erste oben beschriebene Szenarios in vollem Umfang ein, verhält sich quasi wie ein Anleger, der eine „zentrale These“ verfolgt.
Wir rechnen ebenfalls weitgehend mit diesem positiven Ablauf der Dinge, denken jedoch, dass die Märkte die möglichen Risiken des zweiten Szenarios nicht ganz berücksichtigen. Daher nehmen wir eine defensivere Ausrichtung ein, auch wenn unser Base-Case-Szenario generell eher vom ersten als vom zweiten oben beschriebenen Szenarium ausgeht.
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