In Europa hat sich die Wirtschaft später von den massiven Bruttoinlandsprodukt-Einbußen des letzten Jahres erholt als in China und in den USA. Jetzt, nachdem der erste Nachholbedarf gedeckt wurde, ist Europa stabil, während der Aufschwung wiederum anderswo stark an Tempo verliert. Es kommen mehrere Negativfaktoren zusammen, die sich gegenseitig verstärken und das Wachstum verringern.
Ermutigend ist hingegen, dass all dies wohl nicht von Dauer sein wird: So scheint die Welle der Delta-Variante in den USA ihren Höhepunkt überschritten zu haben und dürfte nun langsam abflachen. Die Kaufkraft mag nachgelassen haben, aber die Haushaltskassen in den Industrieländern sind wegen der hohen Ersparnisse aus dem Vorjahr gut gefüllt. Zwar kann es noch dauern, bis die Lieferkettenstörungen behoben sind, aber es gibt klare Anzeichen dafür, dass der Preisanstieg allmählich nachlässt. Und der chinesische Abschwung ist reversibel, ist er doch im Wesentlichen hausgemacht und eine Folge politischer Entscheidungen. Auf zu radikale Maßnahmen wird man mit Rücksichtnahme auf die soziale Stabilität daher verzichten. Wir glauben dem-nach, dass Peking zum Jahresende wieder zu einer wachstumsfreundlicheren Politik zurückkehrt.
Und doch ist die Lage an den Märkten nicht einfach, hatte man doch mit dem vollständigen Ende der Pandemie und einer ruhigen Zeit gerechnet. Auch der Konjunkturoptimismus der Europäischen Zentralbank (EZB) und die Diskussionen über einen möglichen Inflationsanstieg waren verfrüht. Der Aufschwung kommt in unserem Basisszenario aber nicht zum Stillstand, auch wenn er gebremst wird, und an der Erwartung einer maßvollen Normalisierung der Geldpolitik hat sich kaum etwas geändert. Es könnte jedoch in den nächsten Wochen und Monaten turbulenter an den Märkten werden.
Gute Fundamentaldaten aber teure Bewertungen
Einerseits haben risikobehaftete Assetklassen – Credits (Anleihen) und Aktien – in den letzten 18 Monaten vor allem von der sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik, der Impfstoffentwicklung und zuletzt auch von der Normalisierung der Konjunktur profitiert. Zusammen hat dies zu stark überdurchschnittlichen Erträgen geführt. Mit Blick auf die Fundamentaldaten spricht daher wenig für einen ausgeprägten Pessimismus.
Andererseits zählen an den Märkten nicht nur die Fundamentaldaten. Viele Märkte und Asset-Klassen, vor allem Anleihen, sind mittlerweile recht teuer geworden. Sowohl die Renditen als auch die Credit Spreads sind seit Längerem so niedrig wie nur selten seit der internationalen Finanzkrise und an den Aktienmärkten sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse weiter gestiegen, obwohl die Gewinnerwartungen zugelegt haben. Wer jetzt investieren möchte, steht vor großen Herausforderungen.
Suche nach Gewinnen könnte ausgeprägte Marktkorrektur auslösen
Die anhaltenden Angebotsstörungen, massiv steigende Energiepreise, Probleme am chinesischen Kreditmarkt und weltpolitische Spannungen gefährden den Aufschwung, was Anleger nervös und Investmentbanken pessimistisch stimmt. Viele der aktuellen Probleme könnten zwar durch Verbesserungen auf der Angebotsseite oder politische Maßnahmen gelöst werden. Allerdings könnte sich durch die wachsende Bereitschaft zu Gewinnmitnahmen auch leicht eine ausgeprägte Marktkorrektur entwickeln. Dann könnten die US-Staatsanleiherenditen in Richtung von einem Prozent fallen, die Credit Spreads könnten sich ausweiten, und die Aktienkurse würden weiter zurückgehen. Profitieren könnten davon Währungen wie der Schweizer Franken, der japanische Yen oder auch der US-Dollar.
In den nächsten Monaten ist mit höherer Volatilität als bisher zu rechnen
Trotz der Risiken dieses nicht gänzlich auszuschließenden Negativszenarios sollte man dabei nicht vergessen, dass es auch eine Chance sein kann. Wenn die Volatilität zunimmt, könnten die Notenbanken noch länger an der expansiven Geldpolitik festhalten. Vielleicht würde die Fed sogar das Tapering hinauszögern, wenn sich die Marktliquidität verschlechtert. Mit einer weiter-hin expansiven Fiskalpolitik ist der Aufschwung selbst nicht in Gefahr.
Eine Marktkorrektur in den traditionell volatilen Monaten September und Oktober könnte allerdings für Kaufgelegenheiten sorgen, zumal im neuen Jahr mit einer niedrigeren Inflation und weniger Lieferkettenstörungen zu rechnen ist. Bis dahin sollte man sich aber auf eine höhere Volatilität als in den ersten acht Monaten dieses Jahres gefasst machen. Die Zeit der ganz großen Aktiengewinne dürfte vorbei sein, und an den Credit-Märkten wird man sich allmählich einiger mittelfristiger Risiken bewusst. Die allergrößte Überraschung wäre, wenn die US-Zehnjahresrendite zum Jahresende wieder so niedrig ist wie zu Jahresbeginn, nämlich bei einem Prozent. Die Anleihepessimisten hätten dann wieder einmal falsch gelegen.
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Foto: Chris Iggo © AXA Investment Managers
Größere Korrektur nicht auszuschließen
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