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Marktkommentar Natixis Global Asset Management: Angezählt: Die lockere Geldmarktpolitik in den USA könnte bald Geschichte sein

Die US-Notenbank (Fed) hat die Leitzinsen seit Dezember 2008 nahezu bei Null gehalten. Zudem hat sie über den monatlichen Ankauf von US-Staatsanleihen und Hypothekenpapieren mit dem Ziel, nach der Finanzkrise eine Depression zu verhindern, Billionen US-Dollar in die Wirtschaft gepumpt. Nun da die US-Wirtschaft wieder mehr Stärke zeigt und der Arbeitsmarkt sowie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal gestiegen sind, wird die Fortsetzung dieser ultralockeren Geldmarktpolitik infrage gestellt.

Ein Anleihehändler, ein Chefvolkswirt und eine Analystin von Natixis Global Asset Management erörtern nachfolgend, ob die Beendigung der Fed-Anleihekäufe im Oktober zu übertriebenen Reaktionen der Märkte führen könnte. Sie gehen auch der Frage nach, wann die Fed die Zinsen erhöht, ob die Bank von England ebenfalls vor einer Zinserhöhung steht und was dies für die Anleger bedeutet.

Jörg Knaf, Executive Managing Director - DACH Countries Member of NGAM International Executive Committee Natixis Global Asset Management

Es ist viel einfacher die Volatilität einer Anlageklasse als dessen Ertragschancen vorauszusagen. Dies erklärt auch, warum die Leitindizes und Benchmarks immer unbedeutender für Anleger bei ihrer Suche nach moderat positiven Ertragsquellen werden. Denn um durch Marktturbulenzen und politische Risiken verursachte Verluste zu vermeiden, führt kein Weg an Absolute Return und Alternative-Strategien vorbei. Nur so kann man sein Portfolio effektiv diversifizieren.

Michael Gladchun, Anleihehändler
Loomis, Sayles & Company

Wir rechnen noch in diesem Monat mit der Beendigung der Fed-Anleihenkäufe. Diese sollte aus unserer Sicht eher unspektakulär über die Bühne gehen und geringe Auswirkungen auf die Märkte haben. Der Offenmarktausschuss (FOMC) hat das Auslaufen des Programms bereits vor einiger Zeit eindeutig angekündigt. Die Anpassung der Märkte an eine künftig noch stärkere Drosselung der Anleihekäufe ist also nicht weiter problematisch. Die übertriebenen Reaktionen der Märkte im letzten Jahr, auch „tapering tantrum“ genannt, wurden nicht vom Tapering an sich ausgelöst. Vielmehr mussten sich die Märkte an das frühere als ursprünglich erwartete Ende des Anleihe-Ankaufprogramms anpassen.

Der FOMC hat sehr erfolgreich zwischen dem Einsatz der Fed-Bilanz und der Zinserwartungslenkung als zwei unterschiedlichen Instrumenten der Geldmarktpolitik differenziert. Die Märkte erwarten vom Anleihe-Ankaufprogramm der Fed heute keine Signale zur Zinsentwicklung mehr. Vielmehr orientieren sie sich für Zinsprognosen – ähnlich wie die Fed –an den Konjunkturdaten und verfolgen Indikatoren wie die Arbeitsmarktentwicklung.

Könnte die Fed die Zinsen früher anheben als erwartet?

Die erste Zinserhöhung erwarten wir im dritten Quartal 2015. Kurzfristig sollten die für die Kerninflation relevanten Kennziffern nur unwesentlich anziehen. Die Lohninflation beachten wir dabei sehr genau, da sie vermutlich zulegen wird und Druck auf die Fed-Präsidentin Janet Yellen und den FOMC ausüben wird - allerdings nicht in diesem, sondern erst im nächsten Jahr.

Angesichts der bisher von der Fed erzielten Fortschritte beim Arbeitsmarkt, würden sich die „Hardliner“ des FOMC künftig selbst durch einen leichten Inflationsanstieg weiter in ihrer Haltung bestätigt sehen. Vermutlich werden sie weiter auf einen noch schnelleren Übergang zu einer weniger expansiven Geldmarktpolitik der Fed drängen. Das Augenmerk liegt derzeit allerdings weniger auf der Geschwindigkeit des Taperings, als auf der Erwartungslenkung der Fed zur bevorstehenden Zinsentwicklung. Diese Diskussion dürfte künftig noch intensiver geführt werden, je stärker die traditionellen Kennziffern zu Arbeitslosigkeit und Inflation sich ihren Zielwerten nähern. Allerdings geben die Fed-Präsidentin Yellen und der FOMC dem Druck der „Hardliner“ nicht nach, so lange die Arbeitsmarkt-Indikatoren weiterhin Überkapazitäten signalisieren und die Inflationserwartungen stabil bleiben.

Philippe Waechter, Chefvolkswirt
Natixis Asset Management

Entscheidend ist stets das richtige Timing. Die Fed möchte bei der Normalisierung der Geldmarktpolitik vor allem eine Wiederholung der Ereignisse der Jahre 1937-1938 vermeiden. Damals brach die Konjunktur nach einigen Jahren starken Wachstums zusammen, als die Geldmarktpolitik sich wieder entspannt hatte. Ein aktuelleres Beispiel ist die Abkühlung des US-Immobilienmarktes 2013, nachdem die Hypothekenzinsen als Reaktion auf die Aussagen des damaligen Fed-Präsidenten Ben Bernanke vor dem Kongress im Mai 2013 angezogen sind. Die eigentliche Frage lautet also: Kann die Fed dieses Risiko eingehen und jetzt vorpreschen?

Wann wird die Fed die Zinsen erhöhen?

Die Anleger scheinen damit zu rechnen, dass die Fed im März oder April 2015 zum ersten Mal an der Zinsschraube drehen wird. Aus den zuvor genannten Gründen halten wir diesen Zeitpunkt für verfrüht. Die zweite Jahreshälfte 2015 wäre günstiger. Bislang spricht nichts für eine starke Inflation deutlich über dem Fed-Zielwert von 2%, der erreicht werden müsste, bevor die Notenbank die Zinsen wieder erhöht. Daher wird sich die Fed vermutlich Zeit lassen und erst ganz sicher gehen, dass sich die US-Konjunktur auch ausreichend stabilisiert hat.

Könnte die geplante Beendigung der Fed-Anleihekäufe übertriebene Reaktionen der Märkte auslösen?

Vermutlich hat das Ende der Fed-Anleihekäufe nur geringe Auswirkungen. Dafür sprechen zwei Gründe: Zum einen hat die Fed bereits im Januar ihre Anleihekäufe gedrosselt und die Märkte reagierten kaum. Tatsächlich sind die langfristigen Zinsen in den USA heute niedriger als vor Beginn des Taperings. Zum anderen ist jetzt die Europäische Zentralbank (EZB) am Zug. Die Zentralbanken stimmen sich in gewisser Weise untereinander ab. Wenn die eine ihre Anleihekäufe zurückfährt, kauft die andere mehr. Diese Abstimmung ist wichtig. Daher rechnen wir auch nicht mit Liquiditätsproblemen.

Wie sehen Sie die künftige Geldmarktpolitik der EZB?

Im Juni hat die EZB ihren Hauptrefinanzierungssatz auf 0,15% und den Einlagenzins auf -0,10% gesenkt. Diese Zinsen bleiben bis Ende 2016 unverändert. Es ist sogar durchaus möglich, dass die EZB noch bis Dezember 2018 an ihnen festhält. Das Ziel war die Stabilisierung des Geldmarktes und die Senkung der langfristigen Zinserwartungen. Derzeit funktioniert dies auch: Die 10-jährigen deutschen Bundesanleihen liegen bei ca. 1% und die Tagesgeldsätze bei knapp zwei Basispunkten. Diese Strategie langfristig niedriger Zinsen resultiert aus den schwachen Wachstumsprognosen sowie der sehr niedrigen Inflation. Diese könnte sogar in eine Deflation umschlagen. Tatsächlich hat die EZB gar keine andere Wahl, als die Geldmarktpolitik auf „sehr lange Sicht“ expansiv zu gestalten.

Zudem wird die EZB ein 400 Milliarden Euro schweres Liquiditätsprogramm auflegen, das an die Vergabe von Bankkrediten an Wirtschaftsteilnehmer außerhalb des Finanzsektors geknüpft ist. Davon ausgenommen sind Hypothekenkredite. Das Programm soll die Finanzierungssituation der Unternehmen verbessern. Die EZB versucht so die interne Nachfrage nach Krediten anzukurbeln. 2015 und 2016 könnte die Liquidität für zielgerichtete, langfristige Refinanzierungsgeschäfte über dieses Instrument unter Umständen steigen. Die Laufzeit dieses Programms ist bislang bis Ende 2018 vorgesehen – also eine langfristige Maßnahme.

Und schließlich ist die EZB auch für die Aufsicht des Bankensektors im Euroraum verantwortlich. In dieser Eigenschaft wird sie Ende Oktober die Ergebnisse der bei den großen Banken im Euroraum durchgeführten Stresstests veröffentlichen. Je nach Ergebnis, könnte dies Einfluss auf die Finanzmärkte haben.

Wird die britische Zentralbank die Zinsen normalisieren?

Die Signale der Bank of England sind nicht eindeutig. Daher ist aktuell nicht klar, wann eine Zinserhöhung kommt. Es ist unbestritten, dass sich die britische Wirtschaft erholt hat: Die Makroindikatoren haben sich jedoch noch nicht übermäßig verbessert. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat im zweiten Quartal 2014 gerade erst Vorkrisenniveau erreicht. Das Pro-Kopf-BIP liegt mit 5% im ersten Quartal 2014 immer noch deutlich unter Vorkrisenniveau. Daran ist abzulesen, dass sich die Auswirkungen der Krise hartnäckig halten und eine zu schnelle Erhöhung der Zinsen die Konjunkturerholung in England beeinträchtigen könnte. Die Bank of England wartet vermutlich auf eine Erholung am Arbeitsmarkt mit steigenden Reallöhnen, bis sie wieder zu einer weniger lockeren Geldmarktpolitik übergeht.

Laura Sarlo, Analystin für europäische Staatsanleihen Loomis, Sayles & Company

Der Geldmarktpolitische Ausschuss (MPC) der Bank of England hat eine Erhöhung der kurzfristigen Zinsen signalisiert. Wir gehen zwar davon aus, dass der MPC in den nächsten Quartalen intensiver über Zinserhöhungen nachdenkt, letztendlich aber doch noch einige Zeit verstreichen lassen wird, nachdem die Maßnahmen des Finanzpolitischen Ausschusses seit November zu einer restriktiveren Kreditpolitik geführt haben.

Derzeit rechnet der Markt damit, dass die Zinsen noch vor Jahresende erhöht werden könnten. Eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte wird dann Ende des zweiten Quartals 2015 erwartet. Tatsächlich wurde die Geldmarktpolitik nach unserer Auffassung bereits seit November 2013 gestrafft, als der Finanzpolitische Ausschuss (FPC) Instrumente zur Verschärfung der Kreditbedingungen besonders im Immobiliensektor eingesetzt hat. Die institutionelle Reform der Bank of England im Jahr 2013, hat die Zinspolitik in gewisser Hinsicht von der Kreditpolitik abgekoppelt. Die britische Bank verfügt nun über ein flexibleres und sensibleres Instrumentarium, als viele andere Zentralbanken weltweit.

Über Zinsen allein kann der britische Häusermarkt, der besonders in London zu überhitzen droht, nicht angemessen gesteuert werden. In den letzten neun Monaten hat der FPC seine Empfehlungen für die Kreditvergabe der Banken mehrmals modifiziert und zuletzt im Juni eine Straffung seiner Politik angekündigt. Seit dem Frühjahr haben sich die Indikatoren für die Aktivitäten am Häusermarkt abgekühlt und seit einiger Zeit sehen wir auch Anzeichen für sinkende Preise.

Könnte der Lohndruck dazu führen, dass die Zinsen früher angehoben werden müssen?

Abgesehen vom Wohnungssektor konzentrieren sich die Marktteilnehmer, die eher früher als später mit Zinserhöhungen rechnen, besonders auf die Lohnentwicklung. Da die Wirtschaft stärker wächst und die Arbeitslosigkeit stetig fällt, gehen manche Experten davon aus, dass Lohnerhöhungen die Bank of England bereits früher zu Zinserhöhungen zwingen. Bisher aber sind die Löhne durchweg nur leicht angestiegen. Dies ist vermutlich auf Signale für weiterhin bestehende Überkapazitäten zurückzuführen, wie etwa der immer noch hohe Prozentsatz von Arbeitnehmern mit befristeten oder  Teilzeitverträgen. Diese würde gerne eine Ganztagstätigkeit ausüben. Und da das Inflationsziel des MPC von zwei Prozent mit einiger Sicherheit nicht in Gefahr ist, sollten die Wirtschaftsaktivitäten im zweiten Halbjahr vermutlich leicht sinken.

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