Die sprichwörtlichen Geldschleusen dürften weltweit auch in Zukunft weit geöffnet bleiben. In den USA fährt die Fed ihr Quantitative Easing (QE) zwar zurück, doch auf dem jährlichen Symposium in Jackson Hole im August machte EZB-Präsident Mario Draghi klar, dass ein Quantitative Easing im Euroraum viel wahrscheinlicher geworden ist.
Nach der EZB-Ratssitzung im September wurde die Notenbank dann den Erwartungen gerecht. Die Leitzinsen wurden weiter gesenkt und man plant wieder Wertpapierkäufe, nachdem die Notenbankbilanz zwei Jahre lang geschrumpft war. Die Aktienmärkte werden zwar die Fed als Stütze verlieren, aber in der EZB eine neue Stütze gewinnen. Wie schon früher dürften die reichliche Liquiditätszufuhr und die lockere Geldpolitik auch in Zukunft günstig für die Märkte sein.
Europa am Scheideweg
Unterdessen ist die Inflation in Europa kontinuierlich zurückgegangen. Italien und Spanien befinden sich bereits in der Deflation, und in Deutschland liegt die Teuerung kaum über 1 %. Auch das Wirtschaftswachstum lässt weiter nach. Italien ist wieder in der Rezession; Deutschland, die größte Volkswirtschaft des Euroraums, schwächelt und in Frankreich ist die Lage so schlecht, dass eine Kabinettsumbildung unausweichlich schien. Und zu allem Überfluss leidet kaum eine Volkswirtschaft so stark unter dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wie der Euroraum.
Die schwache Konjunktur und die Aussicht auf weiteres Quantitative Easing haben die europäischen Anleiherenditen weiter zurückgehen lassen. In Deutschland sind die Zehnjahresrenditen unter 1 % gefallen und damit so niedrig, wie man es eigentlich nur aus Japan kennt. Die italienischen und die spanischen Renditen liegen unter den amerikanischen, die ihrerseits unter 2,5 % gefallen sind. Wenn selbst dies die Konjunktur nicht antreibt, fragen wir uns schon, was zusätzliche Staatsanleihekäufe ausrichten können. Möglicherweise kann die EZB aber mehr erreichen, wenn sie sich auf die Privatwirtschaft konzentriert, versucht, das Bankensystem in Ordnung zu bringen und die Kreditvergabe wieder in Gang zu setzen.
Mehr Ausgewogenheit in den USA
In ihrer Rede in Jackson Hole zeichnete Fed-Chefin Janet Yellen ein etwas ausgewogeneres Bild vom amerikanischen Arbeitsmarkt, deutete aber eine nach wie vor eher expansive Geldpolitik an. Um es klar zu sagen: So lange die Inflation deutlich unter 2 % liegt, stehen Leitzinserhöhungen nicht unmittelbar bevor – zumal das Wirtschaftswachstum im 3. Quartal niedriger sein dürfte als im 2. Quartal, als es 4,2 % (annualisiert und revidiert) betrug. Frau Yellen schien aber zuzugestehen, dass die Kapazitätsauslastung in den USA höher ist als bislang vermutet.
Wir können dem nur beipflichten. Unserer Ansicht nach sprechen die Arbeitslosengeldanträge, die offenen Stellen und die Beschäftigung für deutliche Fortschritte am Arbeitsmarkt im letzten Jahr. Die spannende Frage ist jetzt, ob und wann dies die Äußerungen der Fed beeinflusst. Wir werden wohl allmählich auf einen ersten Zinsschritt zusteuern. Weil die Fed damit eine ganz andere Richtung einschlagen würde als die EZB, überrascht es nicht, dass der Dollar gegenüber dem Euro weiter aufgewertet hat.
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