Wenn die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) beabsichtigt, die Normalisierung der US-Geldpolitik schrittweise anzugehen, sollte sie bald damit beginnen.
Die US-Konjunktur zieht nämlich rapide an. Ausgehend von früheren Erfahrungen hätte die Zentralbank vielleicht schon mit der Anhebung der Zinssätze begonnen, gäbe es da nicht die Besorgnis hinsichtlich der langfristigen Folgen der Finanzkrise und einer „Großen Rezession“. Blickt man auf die letzten drei großen geldpolitischen Straffungsmaßnahmen der Fed zurück, so sind die heutigen Bedingungen in vielerlei Hinsicht vergleichbar und in manchen Bereichen sogar deutlich besser:
Februar 1994:
Die Fed beschließt, die Zinsen erstmals seit fünf Jahren anzuheben. Neben anderen nannten die geldpolitischen Entscheidungsträger solide Zuwächse bei Industrieproduktion, Autoabsatz und Auftragseingängen für neue Maschinen und andere Kapitalgüter als ausschlaggebende Faktoren. Heute zeigen sich all diese Größen mehr als erholt von der Rezession: Der annualisierte Kfz-Absatz erreichte jüngst mit 17,5 Mio. seinen höchsten Stand seit 2006 und sowohl die Industrieproduktion als auch die Kapitalgüteraufträge (ohne Luftfahrt- und Rüstungsgüter) liegen deutlich über ihren noch vor der Rezession verzeichneten Höchstständen.
Juni 1999:
Weniger als ein Jahr nachdem der Zahlungsausfall Russlands und der Zusammenbruch des Hedgefonds „Long-Term Capital Management“ die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt hatten, begann die Fed, die Zinsen zu erhöhen. Als Grund angeführt wurde die Reduzierung des finanziellen Drucks. Heutzutage sind die finanziellen Bedingungen in den USA so expansiv wie nie zuvor und deutlich entspannter als Mitte 1999.
Juni 2004:
Obgleich die Fed der Auffassung war, die zuvor festzustellenden Inflationsanstiege seien auf vorübergehende Faktoren zurückzuführen, beschloss sie dennoch eine Anhebung der Zinsen. Gründe dafür waren das solide Wirtschaftswachstum und die Verbesserung der Arbeitsmarktsituation. Zum damaligen Zeitpunkt wuchs die Beschäftigung (exklusive des Agrarsektors) um rund 200.000 pro Monat. Im Jahr 2014 betrug das Beschäftigungswachstum im Durchschnitt 215.000 pro Monat. Das Wirtschaftswachstum lag im zweiten Quartal 2004 bei 3,7 %. Im zweiten Quartal 2014 belief sich das Wirtschaftswachstum auf mehr als 4 %.
Selbstverständlich ist jeder Konjunktur- und Politik-Zyklus anders und der aktuelle Zyklus unterscheidet sich in einigen wichtigen Punkten von vorangegangenen Zyklen. Insbesondere die niedrige Inflation und eine erhöhte Arbeitslosigkeit deuten darauf hin, dass in der Wirtschaft noch eine gewisse Flaute herrscht und die Fed ihre expansive Geldpolitik länger beibehalten kann, als dies in früheren Zyklen der Fall war. Zudem könnten das geringe Wachstum in Europa sowie die jüngsten geopolitischen Unruhen das US-Wachstum bremsen.
Dennoch kündigen die aktuellen Verlautbarungen der US-Notenbank an, dass die Zentralbank noch einige Monate von Zinserhöhungen entfernt ist und diese in der Folge auch nur schrittweise umsetzen wird. Dies mag zwar angesichts des Ausmaßes der herrschenden Flaute in der Binnenkonjunktur sowie der Unsicherheit hinsichtlich des globalen Umfeldes eine vernünftige Haltung sein, sie ist jedoch mit dem Risiko verbunden, dass die Fed später möglicherweise aggressiver vorgehen muss, als sie sich dies derzeit vorstellt. Dies könnte eine Reihe neuer Herausforderungen für das US-Wachstum und die globalen Märkte heraufbeschwören.
Das wichtigste geldpolitische Instrument der Fed ist derzeit ihre Bekenntnis zu schrittweisen Zinserhöhungen. Dies hat dazu beigetragen, die Zinsen niedrig und die finanziellen Rahmenbedingungen auf einem äußerst günstigen Niveau zu halten. Angesichts des derzeitigen Konjunkturverlaufs rückt der Zeitpunkt, an dem die Fed mit dem Prozess der Anhebung der Zinsen auf normalere Werte zumindest beginnen sollte, allmählich näher. Sollte dieser Prozess nicht gut gesteuert, sondern abrupt und ungeordnet ablaufen, wäre das Risiko von Kollateralschäden erheblich höher.
Wie das letztjährige „Taper Tantrum“ – die Verkaufswelle bei festverzinslichen Anleihen nach der Ankündigung eines allmählichen Endes des US-Anleihekaufprogramms – veranschaulichte, bringen Unsicherheiten in Bezug auf die US-Geldpolitik stets Risiken mit sich. Als Fed-Chef Ben Bernanke die Möglichkeit andeutete, dass die Fed bald den Umfang ihrer Anleihekäufe reduzieren könnte, wurden zahlreiche Anleger hiervon überrascht. Die Marktvolatilität stieg sprunghaft an und bei einem breiten Spektrum von Finanzanlagen waren starke Kurskorrekturen nach unten zu verzeichnen. Obwohl die Fed in der Lage war, den Schaden durch eine neuerliche Bekenntnis zu langfristig niedrigen Leitzinsen zu mildern, hatte dieser Schock lang anhaltende wirtschaftliche Folgen. Insbesondere der Wohnungsmarkt und die Baubranche müssen sich noch vollständig vom starken Anstieg der Hypothekenzinsen erholen.
Wenn die Fed ihre erste Zinserhöhung signalisiert, wird eine glaubhafte Bekenntnis zu einer allmählichen Normalisierung von entscheidender Bedeutung sein, um das Risiko eines neuerlichen Schocks abzumildern. Je länger die US-Notenbank in einem Umfeld anziehenden Wirtschaftswachstums damit wartet, diesen ersten Schritt anzudeuten, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Markt ihre Fähigkeit, schrittweise vorzugehen, anzweifeln wird – insbesondere falls die Inflation weiter ansteigen sollte. Dies könnte zu erheblicher Volatilität führen, gerade in Bereichen wie Unternehmenskrediten und Mortgage Backed Securities, in denen deutlich höhere Zinsen reale wirtschaftliche Folgen haben könnten.
Das Protokoll der geldpolitischen Sitzung vom 29./30. Juli deutet darauf hin, dass bei einer wachsenden Zahl von Fed-Repräsentanten die Besorgnis angesichts des Risikos, zu lange zu warten, allmählich wächst.
Die Bank of England hat die Möglichkeit angedeutet, dass sie früher mit der Anhebung der Zinsen beginnen könnte, um diesbezüglich langfristig ein langsameres Tempo beibehalten zu können. Die Fed hat bislang einen anderen Ansatz verfolgt und ihre offizielle Haltung bekräftigt, dass die Zinsen nach Abschluss ihres Anleihekaufprogramms im Oktober für längere Zeit unverändert bleiben und allfällige Zinserhöhungen schrittweise durchgeführt werden. Jedoch könnte es der Fed angesichts der aktuellen Konjunkturdaten schwerfallen, beide Versprechen einzuhalten. Der beste Weg, die Verpflichtung zu einem schrittweisen Vorgehen einzuhalten, könnte darin liegen, eher früher als später damit zu beginnen.
Goldman Sachs Asset Management ist der Asset-Management-Bereich der Goldman Sachs Group, Inc. (NYSE-Symbol: GS). Per 30. Juni 2014 belief sich das von diesem Geschäftsbereich verwaltete Vermögen auf 992 Mrd. US-Dollar. Goldman Sachs Asset Management bietet seit 1989 diskretionäre Anlageberatungsleistungen an und beschäftigt Investment-Spezialisten an allen großen Finanzplätzen der Welt. Das Unternehmen bietet institutionellen Investoren und Privatkunden auf der ganzen Welt Investmentstrategien, die sich auf eine breite Palette von Anlageklassen erstrecken. Goldman Sachs wurde 1869 gegründet und gehört zu den führenden, global tätigen Investmentbanking-, Wertpapier- und Vermögensverwaltungshäusern. Sie betreut weltweit einen breit gefächerten Kundenstamm, zu dem Unternehmen, Finanzinstitutionen, staatliche Stellen und vermögende Privatpersonen gehören.
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Zinserhöhungspläne der US-Notenbank: Lieber früher als später
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