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Woran erkennen Marktteilnehmer einen guten gemeinsamen Vertreter? Von Rechtsanwalt Dr. Marc Liebscher

Rechtsanwalt Dr. Marc Liebscher vertritt regelmäßig die Interessen von Anleihegläubigern in Restrukturierungsfällen. Aktuell ist er zum gemeinsamen Vertreter bestellt bei den Anleihen der Mologen, Schlote, Veganz, SoWiTec, Pentracor und getgoods.de. Liebscher ist Mitglied im Vorstand der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Lehrbeauftragter der Universität Potsdam für Bankrecht und Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. Der Bundestag lädt ihn regelmäßig ein, als Sachverständiger Stellung zu nehmen bei kapitalmarktrechtlichen Gesetzgebungsvorhaben.

Vor dem Hinter­grund aufsehen­erre­gender Berichte in der deut­schen Wirtschafts­presse über Vorwürfe gegen ein führendes Beratungs­haus für Unter­nehmens­restruk­turierungen, insbesondere für die Restrukt­urierungen von Unter­nehmens­anleihen, fragen sich viele Markt­teilnehmer: Auf was muss bei der Restruk­turierung von Anleihen geachtet werden, wenn ein gemein­samer Vertreter im Spiel ist? Kurz gesagt: Interessen­konflikte sollten vermieden, Transparenz und der professionelle Umgang mit Treu­hand­geldern sollten sicher­gestellt werden. Dann können Markt­teilnehmer, insbeson­dere Anleihe­gläubiger und Insolvenzverwalter, Risiken minimieren.

Juristische und wirtschaftliche Kompetenz
Möchte ein Emittent von Inhaberschuldverschreibungen sich noch außerhalb der Insolvenz finanziell restrukturieren, stehen auch Verhandlungen mit den Anleihegläubigern ins Haus. Das macht es für Emittenten kompliziert: Anleihen sind oftmals börsengehandelt, d. h. Anleiheinhaber sind eine Vielzahl von Personen, die dem Emittenten zumeist völlig unbekannt sind. Aber will ein Emittent die Bedingungen seiner Anleihe restrukturieren, sprich verändern, muss er mit allen Anleiheinhabern eine gleichlautende Vereinbarung treffen. Das ist natürlich im Wege von Einzelverhandlungen völlig unmöglich. 

Deswegen gibt es die Figur des gemeinsamen Vertreters, der die Anleihegläubiger in ihrer Gesamtheit repräsentiert. Verhandlungen über die Veränderung von Anleihebedingungen werden dann viel einfacher. Der Emittent muss nur mit dem gemeinsamen Vertreter verhandeln, der namens der Anleihegläubiger dann dem Verhandlungsergebnis zustimmt. Das Schuldverschreibungsgesetz sieht diesen gemeinsamen Vertreter als zentrale Ansprechperson vor, die die Rechte der Anleihegläubiger abhängig von ihrer Rechtsstellung exklusiv vertritt. Dem gemeinsamen Vertreter kommt also eine ganz erhebliche Rechtsmacht zu. 

Damit erhebt sich für Anleihegläubiger offenkundig die Frage, wem sie diese verantwortungsvolle Rolle durch Mehrheitswahl anvertrauen sollen. Denn sie wählen den gemeinsamen Vertreter und müssen sicher sein, dass dieser ihre Interessen, typischerweise Ansprüche auf mehrstellige Millionenbeträge, kompetent vertritt.

Klar ist sonach, dass ein gemeinsamer Vertreter mit seinem Team betriebs- und finanzwirtschaftlich und juristisch sehr erfahren sein und Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsstärke mitbringen muss. Dies können Marktteilnehmer wie z.B. Anleihegläubiger, Emittenten, Insolvenzverwalter oder aber Insolvenzgerichte anhand des track records des jeweiligen Kandidaten relativ unproblematisch nachvollziehen.

Keine Interessenkonflikte zulassen
Wichtig ist aber auch die Unabhängigkeit des gemeinsamen Vertreters. Es geht um Geld, und dann müssen Interessenkonflikte ausgeschlossen sein. Das Schuldverschreibungsgesetz ist hier relativ großzügig: Deckt ein Kandidat für das Amt des gemeinsamen Vertreters Interessenkonflikte vorher auf, dann ist auch eine Nähebeziehung des gemeinsamen Vertreters z.B. zum Emittenten oder dessen Hausbanken unschädlich. Bis zur Reform des Schuldverschreibungsgesetz im Jahre 2009 war das anders geregelt: Eine Nähebeziehung führte immer zu Inkompatibilität. 

Diese neue, sogenannte „Informationslösung“ stößt aber nach zutreffender Überzeugung vieler Marktteilnehmer dann an ihre Grenzen, wenn es um die finanzielle Restrukturierung von Anleiheverbindlichkeiten geht. Denn im Krisenfall kann ein gemeinsamer Vertreter immer nur eine Rolle spielen: Er ist Interessenvertreter für die Anleiheinhaber. So verbieten es auch die Standards für Unternehmensanleihen des Bundesverband Investment und Asset Management einen gemeinsamen Vertreter zu wählen, der z.B. auch der Interessensphäre des Emittenten zuzurechnen ist. Und das ist richtig so. Anleihegläubiger, Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte sollten sich also kundig machen, wie der Vorschlag für einen Kandidaten als gemeinsamen Vertreter zustande kam.

Im Krisenfall geht es um den Verzicht auf Ansprüche. Der Emittent will unter Darlegung seiner finanziellen Kennzahlen die Anleihegläubiger davon überzeugen, einer Laufzeitverlängerung, einem Zinsverzicht oder gar einem Haircut zuzustimmen. Der gemeinsame Vertreter hält namens der Anleihegläubiger in den Verhandlungen mit dem Emittenten und dessen Beratern dagegen. Er plausibilisiert mit seinem Team die vom Emittenten vorgelegten Zahlen, fordert Restrukturierungsbeiträge anderer Stakeholder, insbesondere der Gesellschafter, ein und hinterfragt den tatsächlichen Restrukturierungsbedarf. Ein gleichzeitiges Tätigwerden des gemeinsamen Vertreters für Emittent und Anleihegläubiger im selben Restrukturierungsfall schließt sich offensichtlich aus. Rechtsanwälten ist dies aufgrund ihrer Berufspflichten ohnehin untersagt.

Insolvenz
Wichtig ist die Vermeidung von Interessenkonflikten in der Person des gemeinsamen Vertreters auch im Falle einer Insolvenz des Emittenten. Denn in der Insolvenz darf der gemeinsame Vertreter für die Anleihegläubiger deren Ansprüche beim Insolvenzverwalter auf Zahlung der Insolvenzquote geltend machen. Der gemeinsame Vertreter wird zwar nicht Anspruchsinhaber, aber er ist rechtsgeschäftlicher Vertreter der Anleihegläubiger. Er macht im Wege der Forderungsanmeldung in eigenem Namen die Rückzahlung des vollen Nominalbetrags zuzüglich Zinsen geltend, unter Ausschluss der Anleihegläubiger. 

Das bedeutet, dass der gemeinsame Vertreter die Insolvenzquote für die Anleihegläubiger vereinnahmt. Hierfür sollte ein gesondertes Treuhandanderkonto der Standard sein. Das bedeutet, der gemeinsame Vertreter lässt die vom Insolvenzverwalter an die Anleihegläubiger zu zahlende Quote auf ein besonderes Treuhandanderkonto anweisen und nicht etwa auf sein Geschäftskonto. Denn bei einem Geschäftskonto besteht immer die Möglichkeit, dass es zu einer Unterdeckung kommt; vom Geschäftskonto gehen üblicherweise auch Mieten, Lieferantenrechnungen, Gehaltszahlungen usw. ab. Und dann droht schnell der Vorwurf der Untreue.

Die Rechtsprechung ist ziemlich streng: Sobald weniger als der Treuhandbetrag auf dem Bankkonto ist, besteht die Gefahr, eine Untreuehandlung begangen zu haben. Denn schon allein, dass ein Wiederauffüllen der Treuhandgelder auf dem jeweiligen Bankkonto notwendig ist, kann bereits den Vorwurf der Untreue ausmachen. Das ist auch nachvollziehbar. Denn in dem − wenn auch nur kurzen − Zeitraum einer Unterdeckung kann viel passieren, das nicht vorhergesehen wurde. Allein durch die kurzfristige Unterdeckung ist die Weiterleitung der Gelder an die Treugeber, also die Anleihegläubiger, schon erheblich in Gefahr gebracht. Im Ergebnis sollte also die Vereinnahmung von Anleihegeldern auf einem gesonderten Treuhandanderkonto der Standard sein.

Auskehr via Zahlstellenverfahren
Anleihegläubiger, Emittent und Insolvenzverwalter sollten auch darauf achten, dass der gemeinsame Vertreter die Gelder im Zahlstellenverfahren an die Anleihegläubiger ausgekehrt. Dabei bedient sich der Anleihegläubiger einer Zahlstelle, die wiederum mit einer Clearingstelle, oftmals Clearstream Banking, zusammenarbeitet. Damit ist sichergestellt, dass ohne Reibungsverluste jeder Anleihegläubiger die ihm zustehende Nominalquote automatisch auf sein Bankkonto eingebucht bekommt. 

Vorsichtig sollten die Beteiligten sein, wenn ein gemeinsamer Vertreter die Anleihegläubiger auffordert, sich direkt bei ihm zu melden und er die Auskehr der Gelder an die jeweiligen Anleihegläubiger selbst und direkt durch Einzelüberweisung vornimmt. Der gemeinsame Vertreter prüft also den Anleiheanspruch jedes einzelne Anleiheinhabers und zahlt dann selbst aus. Das hat aber seine Tücken. Denn oftmals melden sich bis zu einem Drittel der Anleihegläubiger gar nicht bei einem gemeinsamen Vertreter, mit der Folge, dass die nicht abgerufenen Gelder beim gemeinsamen Vertreter liegen zu bleiben drohen. Da fragt man sich dann, was ein gemeinsamer Vertreter mit diesen Geldern bis zum Sankt Nimmerleinstag eigentlich macht. Und diese Frage wird dann besonders dringend, wenn die Gelder auf dem Geschäftskonto, und nicht auf einem Treuhandanderkonto, liegen. 

Marktteilnehmer, insbesondere Anleihegläubiger, Emittenten, Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte sollten diese Leitplanken im Auge behalten. 


 

Restrukturierung von Anleihen

Dr. Wolfgang Schirp, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Schirp Schmidt-Morsbach Rechtsanwälte PartG mbB

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