Lange Zeit beschränkte sich die Schuldenkrise auf die Peripherie-Staaten von Euroland, während die Zahlungsfähigkeit der Kernländer Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Österreich und den Niederlande nicht in Frage gestellt wurde. Mit der Zuspitzung der Schuldenkrise in den letzten Monaten begann das Vertrauen in den Kern aber allmählich abzubröckeln. Nur Deutschland blieb vorderhand davon verschont.
Das erste Opfer war Belgien, das unter einer hohen Schuldenlast leidet und seit längerer Zeit ohne Regierung dasteht. Belgien muss für 10-jährige Staatsanleihen inzwischen 2,5 Prozent mehr an Zinsen bezahlen als Deutschland. Das nächste Opfer war Frankreich. Die Sorgen um die Gesundheit französischer Banken führten innerhalb der letzten drei Monate zu einer Erhöhung des Risikoaufschlags gegenüber Deutschland auf über 1,5 Prozent. Auf Frankreich folgte Österreich, dessen Banken in Osteuropa stark exponiert sind. Aber auch Finnland und die Niederlande spüren zunehmend den Druck der Kapitalmärkte: Finnische Staatsanleihen rentierten zeitweise 0,8 Prozent mehr als deutsche.
Dabei zeigt ein Blick auf die Verschuldung dieser Länder, dass sie gar nicht so schlecht dastehen. Finnland, die Niederlande und Österreich haben eine weit geringere Schuldenlast im Vergleich zur Wirtschaftskraft als Deutschland. Frankreich liegt ungefähr auf der Höhe von Deutschland. Nur Belgien liegt klar darüber. Aber die Angst der Investoren hat eine gefährliche Eigendynamik entwickelt. Je stärker die Unsicherheit um die Zukunft der Währungsunion zunimmt, desto mehr sind die Investoren nur noch bereit in deutsche Anleihen zu investieren, dem liquidesten Anleihen-Markt Eurolands. Das führt zu sinkenden Renditen in Deutschland und zu steigenden Renditen im Rest von Euroland, was wiederum die Investoren bestärkt, dass letzten Endes nur deutsche Anleihen wirklich sicher und liquide sind.
Nun hat es aber selbst Deutschland getroffen, dessen Anleihen in den letzten Tagen unter Druck gekommen sind. Nachdem bei einer Auktion deutscher Staatsanleihen die Nachfrage weit unter den Erwartungen blieb, sind die deutschen Zinsen stark angestiegen. Immer mehr Investoren rechnen mit einem Schreckens-Szenario wie einem Auseinanderbrechen der Währungsunion oder einer Pleitewelle im europäischen Bankensektor, bei welchem auch Deutschland mit massiv höheren Kosten und damit mit höheren Schulden konfrontiert wäre.
Wenn nun selbst die grundsoliden Kern-Länder das Vertrauen der Investoren verlieren, ist damit das Scheitern der Währungsunion eingeläutet? Das muss nicht unbedingt der Fall sein. Wenn die Schuldenkrise kein Peripherie-Problem mehr darstellt, sondern ein Problem der gesamten Währungsunion, dürfte der Druck auf die europäischen, insbesondere auf die deutschen Politiker eine Lösung zu erarbeiten nochmals steigen.
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Schuldenkrise frisst sich in den Kern - Auch Kernländer verlieren ihren Status als sicheren Hafen
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