Defacto ist die deutsche Schuldenbremse seit Freitag, den 21.03.2025 außer Kraft gesetzt. Minimum 900 Mrd. Euro werden als sogenanntes Sondervermögen über Bundesanleihen finanziert am Kapitalmarkt aufgenommen. (Wir verweisen auf den letzten mwb-Standpunkt: Der Schuldturm zu Babel.) Minimum 400 Milliarden Euro für Rüstung und 500 Mrd. Euro für die Infrastruktur, wovon 100 Milliarden für die „Klimaneutralität“ gesetzt sind. (Vorsicht: Die Deutsche Umwelthilfe reibt sich jetzt schon die Hände, was Sie alles kostenpflichtig zukünftig abmahnen kann.)
Bei der Rüstung gilt der Spruch des vermutlichen nächsten Kanzlers Friedrich Merz: Whatever it takes. Das bedeutet, wenn mehr als 400 Mrd. Euro gebraucht werden, dann wird mehr Geld am Kapitalmarkt aufgenommen. Entsprechende Grundgesetzänderungen sind vom Bundestag und Bundesrat durchgewunken worden.
Wir beschäftigen uns diesmal bewusst nicht mit der Beurteilung der Politik in diesem Standpunkt, und ob das Sondervermögen und damit ein Aufweichen der Schuldenbremse sinnvoll ist oder nicht. Wir wollen uns mit den Auswirkungen dieses gewaltigen Finanzpakets beschäftigen. Was heißt dies für den Kapitalmarkt? Für mittelständische Unternehmen, die den Kapitalmarkt suchen. Können wir Prognosen abgeben? Sind Branchen besonders betroffen?
Die Inflation wird sich so entwickeln, wie wir in unseren Standpunkten es beschrieben haben. Das 2%-Ziel der EZB kann man zwar sehen, aber ob es unter diesen Umständen jemals erreicht werden kann? Dennoch wird es sicherlich noch ein oder vielleicht auch zwei moderate Zinsschritte nach unten geben. Allein um die Wirtschaft anzukurbeln. Frankreich ist prozentual stärker verschuldet als es Griechenland jemals war. Italiens Verschuldung ist ebenfalls immens. Deutschlands Wirtschaft schwächelt nicht – sondern ist strukturell schwach. Das sehen wir auch an den Entlassungen, die zwar alle „sozialverträglich“ vorgenommen werden sollen. (Schlagzeile: Mercedes-Mitarbeiter bekommen bis zu 500.000 Euro Abfindung.)
Viel wichtiger als die EZB ist für Deutschland die Verwendung aber auch die Finanzierung des Sondervermögens. Deutschland ist das größte und immer wirtschaftlich stärkste Land Europas. Das, was hier passiert, betrifft auch Gesamt-Europa in starkem Maße.
Bauzinsen der deutschen Banken orientieren sich nicht an den Leitzinsen der EZB, sondern an den langfristigen Marktzinsen reflektiert in der Rendite der Bundesanleihen. Wir haben in den letzten zwei Wochen nach der Ankündigung des Pakets einen Anstieg der Bauzinsen im Schnitt um 0,5 % gesehen. Gleichzeitig haben wir die Wohnungsknappheit und die aufgerufenen Mietpreise nicht im Griff. Die Zahl der Baugenehmigungen steigt wieder moderat an – im Januar wurden 18.000 Wohnungen genehmigt (400.000 Wohnungen pro Jahr werden benötigt – extrapoliert wären das aber wieder nur 206.000 Wohnungen). Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands HDB: „Der Wohnungsbau leidet somit weiter unter den schlechten Rahmenbedingungen und der Zurückhaltung der Investoren.“
Aber was heißt dies für KMUs und ggf. für deren Anleihen? Die vorstehend beschriebenen Maßnahmen werden auch im Mittelstand ankommen und sei es durch Sekundäreffekte. Und dieser braucht weiterhin Finanzierungsquellen. Da sehen wir trotz aller Unwuchten eine Renaissance am Horizont. Und wir stellen bewusst zwei Branchen in den Mittelpunkt – Bau und Maschinen. Warum?
Die Baubranche hat in den letzten Jahren – insbesondere die Immobilienbranche schwer gelitten. Verkäufe sind stark zurück gegangen, Infrastrukturmaßnahmen des Bundes waren praktisch auf Eis gelegt, so dass auch die Unternehmen am Kapitalmarkt nicht reüssiert haben. Wir gehen aber davon aus, dass es eine Rückkehr von Emittenten der Bau- KMU-Anleihen am Kapitalmarkt geben wird. Es könnte zukünftig eine deutliche Zunahme in den Auftragsbüchern geben, die erst einmal einen zusätzlichen Kapitalbedarf auslöst. Sicherlich werden die Kupons – nicht nur allein bestimmt durch die Bundesanleihen – mit einer gewissen Risikoprämie höher ausfallen als früher.
Die Erklärung für Maschinenbau ist einfacher: Große Rüstungsunternehmen, die zukünftig von den Milliarden profitieren, sind auf mittelständische Zulieferer angewiesen. Diese KMUs werden ihre Produktionen deutlich erhöhen müssen und haben dafür erst einmal einen erhöhten Kapitalbedarf.
Wenn die Politik alles richtig macht, dann wird sich das Sondervermögen als Konjunkturprogramm erweisen und Deutschland aus dem Schlafwagen des Zuges wieder weiter nach vorne bringen. Europa würde es Deutschland danken.
Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE000A3EYLC7, WKN A3EYLC) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 46.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.
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