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Carpevigo - ein Trauerspiel: Bericht über die Gläubigerversammlung am 22.6.2016

von Julia Breier-Struß, Rechtsanwältin, Schirp Neusel & Partner Rechtsanwälte, Berlin

Am 22. Juni 2016 fand die (vermeintlich) 2. Gläubigerversammlung betreffend die Unternehmensanleihe Solar I der Carpevigo AG statt. Die Emittentin wollte abstimmen lassen über eine Laufzeitverlängerung der Anleihe, die bisher nur bis zum 30.6.2016 läuft. Im Vorfeld der Versammlung hatten wir schon darüber berichtet, dass wir die geplanten Abstimmungen für rechtswidrig halten. Dies insbesondere, weil die Versammlung zum einen die Gläubiger selbst abstimmen lassen wollte und zum anderen den gemeinsamen Vertreter. Wir meinen, nur die Gläubiger hätten abstimmen dürfen, weil der gemeinsame Vertreter nicht die Stimmrechte der Gläubiger ausüben kann, sondern dies den Gläubigern obliegt, und der gemeinsame Vertreter nur im Rahmen des ihm von der Gläubigerversammlung erteilten Mandats agieren darf.

Zusammenfassend kann man über die Versammlung Folgendes berichten:
Es kam alles noch schlimmer als gedacht und selbst vorher unvoreingenommene Gläubiger und Vertreter von Gläubigern waren danach nur noch fassungslos ob des dreisten Vorgehens der Gesellschaft.

Die Stimmung war ziemlich schnell sehr aufgeheizt, weil weder Fakten, insbesondere Zahlen, von der Gesellschaft präsentiert wurden, noch Fragen beantwortet wurden. Zum Beispiel hielt Herr Ponzer die Frage der Autorin für hypothetisch, wie man angesichts der doppelten Abstimmung (erst Gläubiger, dann gemeinsamer Vertreter) mit divergierenden Ergebnissen umgehen wolle, welche Abstimmung man überhaupt werten möchte. Damit werde man sich erst auseinandersetzen, wenn man die Abstimmungsergebnisse kenne, hieß es. Ah ja …

Zu einer inhaltlichen Diskussion und Fragerunde kam es auch nur ansatzweise, weil es recht bald nach dem sehr langen, aber reichlich inhaltslosen Vortrag des Herrn Rechtsanwalt Ponzer zu dem bisherigen Sanierungsprozess und einer anschließenden sehr langen Pause für die Gläubiger überraschend hieß, man hätte leider gar nicht mehr viel Zeit, weil der Notar um 14:30 Uhr gehen müsse. Trotz eines allgemeinen und sehr lauten „Nein!“ der Gläubiger brach der Versammlungsleiter also jegliche Diskussion ab und führte stattdessen die Abstimmung im Schnelldurchlauf durch.

Abgestimmt wurde zum einen über das Opt-In (bisher war für die Anleihe das SchVG 1899 anwendbar, die Gläubiger können aber dafür votieren, in Zukunft das SchVG 2009 anzuwenden) und über die Laufzeitverlängerung der Anleihe. Es wurde nicht erklärt, welche Unterschiede zwischen den Gesetzen bestehen, was für Folgen dies für die Abstimmung haben kann, nichts. Die Abstimmung wurde zudem über beide Punkte zusammen durchgeführt, so dass also nicht einmal klar war, auf der Grundlage welchen Gesetzes eigentlich über die Laufzeitverlängerung abgestimmt wurde.

Der eigentliche Höhepunkt der Versammlung aber kam zuletzt:
Von ca. 6,7 Mio. Euro ausstehenden Schuldverschreibungen waren ca. 4,4 Mio. Euro auf der Versammlung vertreten und stimmten ab. Für das Opt-In und die Laufzeitverlängerung war jeweils eine Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen erforderlich. Sehr überraschend für die Gläubiger hieß es nach Auszählung der Stimmen dann aber, dass Gegenstimmen aus 1,3 Mio. Euro Schuldverschreibungen nicht gezählt werden konnten. Diese Stimmrechte gehörten verschiedenen Gesellschaften von Herrn Rolf Koch, der von vornherein keinen Hehl daraus gemacht hatte, gegen die Beschlussvorschläge der Gesellschaft zu stimmen. Die Carpevigo entschied nun, dass Herr Koch ein räuberischer Anleihegläubiger sei, bei ihm die Gefahr eines Missbrauchs bestehe und er darum keine Stimmrechte habe. Wow !!! Als Indiz wurde unter anderem gewertet, dass er einen Internetblog betreibt, auf dem er immer negativ über die Carpevigo berichtet, und dass er gerade eine Anfechtungsklage führt gegen die Beschlüsse aus 2013, mit denen Herr Rechtsanwalt Dr. Wagner zum gemeinsamen Vertreter gewählt wurde. Es ist eben gefährlich, wenn ein Gläubiger seine Rechte wahrnimmt. Wohlgemerkt fiel dem Vorstand die von Herrn Koch ausgehende Gefahr aber nicht etwa zum Zeitpunkt, als die Beschlussfähigkeit festgestellt wurde, oder jedenfalls vor der Abstimmung auf, sondern erst, als nach Auszählung der Stimmen klar war, dass die Stimmen von Herrn Koch ausreichten, um die Beschlüsse zur Laufzeitverlängerung zu verhindern. Hier sind vorsätzlich Verstöße gegen das Recht vorgenommen worden, um die gewünschten Beschlussergebnisse zu erzielen.

Der Ordnung halber sei noch erwähnt, dass dann eine weitere Abstimmung erfolgte, in der der gemeinsame Vertreter Herr Rechtsanwalt Dr. Wagner die Stimmrechte für alle Anleihegläubiger ausübte und den Beschlussvorschlägen der Emittentin zustimmte. Zuvor war er gefragt worden, auf welcher Grundlage er eigentlich entscheidet, wie er abstimmen will, ob er mehr Erkenntnisse über die Zahlen der Gesellschaft hatte. Das hatte er nicht, aber er war sich ganz sicher, dass die Laufzeitverlängerung alternativlos sei. Soso. Das zeigt einmal mehr, dass Gläubiger bei der Wahl des gemeinsamen Vertreters sehr genau darauf achten sollten, wen sie wählen, dass es jemand ist, der tatsächlich ihre Interessen vertritt. Herr Dr. Wagner sagte auf der Versammlung denn auch mehrfach, er vertrete die Gesellschaft. Ob das nur ein Versprecher war, weil er ja eigentlich die Anleihegläubiger und gerade nicht die Gesellschaft vertreten sollte? Zweifel sind wohl erlaubt. Auch seine Anmerkung, schon wegen der Gläubiger der anderen Anleihen in diesem Verbund, die der weiteren Laufzeitverlängerung ihrer Anleihen zugestimmt hatten, müsse er auch zustimmen, zeigt, dass ihm offensichtlich nicht klar ist, wen er vertritt. Nicht die Gläubiger anderer Anleihen, sondern die Gläubiger der Unternehmensanleihe Solar I. Es ist beschämend, dass ein gemeinsamer Vertreter sich für ein solches Vergehen der Emittentin hergegeben hat.

Was können betroffene Gläubiger nun tun?

Die Beschlüsse vom 22.6.2016 leiden an gravierenden Mängeln. Sie sind mindestens anfechtungsfähig, wenn nicht sogar nichtig.

Unabhängig von den aufgeführten Mängeln muss man feststellen, dass nach dem SchVG 2009 ein Mehrheitsbeschluss für die Verlängerung der Laufzeit gar nicht ausreicht. In § 5 SchVG 2009 ist vielmehr geregelt, dass Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss nur geändert werden können, wenn dies in den Bedingungen so vorgesehen ist. Ist es aber bei der Anleihe der Carpevigo AG nicht! Folglich hätten alle Gläubiger der Anleihe (nicht nur die anwesenden) dem zustimmen müssen und zwar zu 100%.

Sofern der opt-In-Beschluss als solcher schon nicht wirksam zustande gekommen sein sollte, wofür viel spricht, ist noch das SchVG 1899 anwendbar. Danach wäre aber der Laufzeitverlängerungsbeschluss ebenfalls anfechtbar, weil nach § 11 Abs.1 SchVG 1899 Gläubigerrechte höchstens für die Dauer von 3 Jahren eingeschränkt werden dürfen, aber nicht für 5 Jahre, wie nun beschlossen.

Es haben mehrere Gläubiger Widerspruch zu Protokoll erklärt. Jedenfalls diese Gläubiger können innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntmachung des Beschlusses Anfechtungsklage erheben. Gern vertreten wir Sie bei dieser Klage.

Falls Sie keinen Widerspruch erklärt haben, aber gern tätig werden möchten, nehmen Sie bitte zu uns Kontakt auf, damit wir die Möglichkeiten besprechen können.


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