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Einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung…

BMF-Schreiben vom 10. Mai 2017 zur steuerlichen Behandlung der Restrukturierung von Anleihen bei Kombination von Teilverzicht, Nennwertreduktion und Teilrückzahlung nach § 20 EStG

Schon am 18. Januar 2016 teilte der Bundesfinanzminister mit, wie er (Teil-)Verzichte behandeln will, die Anleihegläubiger bei der Sanierung der Schuldner erleiden. Am 10. Mai 2017 hat er wieder ein Schreiben zu diesem Thema an die obersten Finanzbehörden der Länder geschickt und mitgeteilt, was diese schon wissen. Möglicherweise ist es ihm besonders wichtig. Oder vielleicht erscheint ihm seine Botschaft selbst so frech, dass er sie möglichst oft wiederholen will, damit sich das Steuervolk daran gewöhnt.

Die Botschaft lautet: Gewinne werden versteuert. Verluste sind Privatsache.
Der Ausgangspunkt ist einfach: Zinsen aus Anleihen unterliegen der Einkommensteuer, Gewinne aus der Veräußerung von Anleihen auch. Veräußerungsverluste mindern die Steuerlast. Und der Ausfall der Forderung? Wer im Einkommensteuerrecht zu Hause ist, wird ohne weiteres annehmen, dass der Ausfall einem Veräußerungsgeschäft gleichkommt, die Verluste also steuerlich anerkannt werden. Denn das ist überall so, wo man Gewinne versteuern muss. Das hat was mit Fairness zu tun. Fairness hat mal jemand als ungeschriebenen allgemeinen Teil allen Rechts bezeichnet.

Ein Element der Fairness im Steuerrecht ist, dass die Steuerpflicht der Gewinne auch zur Steuerwirksamkeit der Verluste führt. Wenn er diesen Grundsatz beachten will, hat der Fiskus die Wahl zwischen Veräußerungsverluste anerkennen und -gewinne besteuern oder Veräußerungsgewinne steuerfrei lassen. Dann sind aber Verluste Privatangelegenheit – beides ist für den Fiskus keine schöne Vorstellung. Der Bundesfinanzminister hat nun den dritten Weg gefunden. Bei den Veräußerungsverlusten arbeitet er auf der Definitionsebene: Natürlich werden Veräußerungsverluste anerkannt, aber wir bestimmen, was dazugehört. Auf der anderen Seite werden die Gewinne mit immer feineren Netzen abgefischt. Insbesondere die Spekulationsgeschäfte, heute private Veräußerungsgeschäfte und die Kapitaleinkünfte werden immer weiter gefasst.

Wir kennen ja die Broken-Windows-Theorie: Wenn eine Gegend anfängt zu verludern, und das beginnt eben mit dem namengebenden kaputten Fenster, das nicht repariert wird, zieht das bestimmte Personen an, die dann dafür sorgen, dass die Nachbarschaft so richtig auf den Hund kommt. So ist das auch mit Rechtsgebieten. Wenn ein Rechtsgebiet erst mal völlig verludert ist, muss man sich an so was wie Fairness nicht orientieren.

Und jetzt zum Inhalt: Der Bundesfinanzminister geht von einer komplexen Situation aus, die er etwas unbeholfen schildert. Eine Anleihe soll zum Teil (20%) zurückgezahlt, zum Teil (50%) im Nennwert reduziert und zum Teil (30%) weitergeführt werden. Er führt zwei Beispielfälle auf.

Ein Anleger hat diese Anleihe zum Nominalwert von 1.000 Euro gekauft. Dann verzichtet er auf die Hälfte. Damit sinken seine Anschaffungskosten von 1.000 Euro auf 500 Euro. Der Verzicht auf 50% des Nennwerts ist „einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung“, so der BMF. Er verliert 500 Euro und kann sie steuerlich nicht geltend machen. 20%, also 200 Euro werden ihm ausgezahlt. Das ist ein Veräußerungsgeschäft. Einnahme 200 Euro. Dagegen darf er die Anschaffungskosten rechnen – Veräußerungspreis minus Anschaffungskosten ist Gewinn. Er hat ursprünglich 1.000 Euro ausgegeben. Davon darf er aber nur 20% als Anschaffungskosten geltend machen, weil er nur 20% der Anleiheforderung verkauft. So lautet die Rechnung 20 minus 20 ist 0. Es ist ein steuerbares Veräußerungsgeschäft, aber er macht keinen Gewinn, der versteuert werden könnte.

Der Anleger ist nun nur noch Gläubiger einer Anleihe im Wert von nominal 300 Euro. Seine Anschaffungskosten betragen auch genau diesen Wert. Wenn er eines Tages diesen Rest veräußert, kann er 300 Euro Anschaffungskosten gegen den Kaufpreis rechnen. Nach einer Sanierung steht der Kurs einer Anleihe meist nicht so toll. Wenn er für 200 Euro verkauft, dann macht er einen Verlust von 100 Euro. Und 100 Euro steuerpflichtigen Gewinn erzielt er beim Verkauf für 400 Euro.

Der andere Anleger kauft die Anleihe im Nominalwert von 1.000 Euro für 100 Euro. Das sind seine Anschaffungskosten. Auch er verzichtet natürlich auf die Hälfte. Die Anschaffungskosten sinken auf 50 Euro. Dann bekommt auch er 200 Euro ausgezahlt. Veräußerungspreis – hier auch 200 Euro – minus Anschaffungskosten ist Gewinn. Anschaffungskosten sind auch hier jene 20% der ursprünglichen Anschaffungskosten, die auf den verkauften Teil entfallen – 20 Euro. Steuerpflichtiger Gewinn ist deshalb 180 Euro (= 200 Euro minus 20 Euro). Die weitergeführte Restanleihe von nominal 300 Euro hat er in der Logik des BMF für 30 Euro erworben. Verkauft er sie für 300, muss er 270 Euro versteuern.

Subjektiv – aus der Sicht des Gläubigers – sieht es so aus: Der erste hat noch 300 Euro in Form der weitergeführten Restanleihe, dazu wurden ihm 200 Euro ausgezahlt, zusammen 500 Euro. Dafür hat er 1.000 Euro eingesetzt. Er hat 500 Euro weniger als vorher. Der andere hat auch 500 Euro Restanleihe und Rückzahlung, Einsatz war 100 Euro. Er ist mit 400 Euro im Plus.

Und was geschieht dabei auf der Seite des Unternehmens? Auf der Passivseite der Bilanz standen 1.000 Euro Verbindlichkeiten. Davon sind auf einmal 500 Euro weg. Da wird buchhalterisch gesehen ein Gewinn von 500 Euro gemacht. Und wie wir alle wissen, dürfen die nicht pauschal erlassen werden, denn das wäre verfassungswidrig. Ja, wir reden über Sanierungsgewinne. Der Anleihegläubiger erleidet einen Verlust, der rechnerisch zu einem Gewinn des Anleiheschuldners führt. Der Verlust ist steuerlich unbeachtlich, der Gewinn wird versteuert – Krisengewinnler Fiskus! Diese Steuer muss mit richtigem Geld bezahlt werden. Es fließt aber nirgendwo Geld. Die Kasse ist so leer wie zuvor. Und jetzt noch mal: Der Forderungsausfall ist „einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung“?

Autor: Tibet Neusel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Schirp Neusel & Partner Rechtsanwälte mbB, Berlin (neusel(at)ssma.de)

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-  Beate Uhse AG (ISIN: DE000A12T1W6): Neuer Vorstand berufen und diesmal wurde keiner gefeuert, Veröffentlichung des Jahresabschlusses verzögert sich
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