Die Ekosem-Agrar AG plant die erneute Restrukturierung ihrer Anleihen. Die geplanten Maßnahmen umfassen im Wesentlichen den Verkauf und die Übertragung der ausstehenden Anleihen inkl. aufgelaufener Zinsen zu einem Preis von 300 Euro je Schuldverschreibung mit einem Nennwert von 1.000 Euro. Das Management plant zudem die Zusammenführung der deutschen Holdinggesellschaft mit dem ausschließlich in Russland angesiedelten operativen Geschäft.
Eine Erwerbergesellschaft, die im Wesentlichen den bisherigen Gesellschaftern der Ekosem-Agrar AG gehört, soll die russischen Tochtergesellschaften übernehmen – mit Ausnahme der nicht-russischen Gesellschafter, die unter den derzeitigen Umständen nicht Anteilseigner einer russischen Gesellschaft werden können. Im Gespräch mit dem BOND MAGAZINE erläutert Wolfgang Bläsi die Details der Anleiherestrukturierung, bei der er die Gesellschaft berät.
BOND MAGAZINE: Warum schlägt Ekosem-Agrar den Verkauf der Anleihen zu 30% und den Verkauf der russischen Zwischenholdings vor?
Bläsi: Die Situation der deutschen Mutter hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert. Zum einen fällt Russland seit dem 1. Januar 2024 in den Geltungsbereich des sog. Steueroasenabwehrgesetzes (StAbwG). Das führt dazu, dass die deutsche Mutter, Ekosem-Agrar AG, sämtliche Gewinne der russischen Agrargesellschaften der Gruppe in Deutschland versteuern muss. Dies würde zu jährlichen Steuerbelastungen im zweistelligen Mio. Euro-Bereich führen. Darüber hinaus droht in Russland der Verlust von Agrarsubventionen für Tochtergesellschaften sogenannter, aus russischer Sicht „unfreundlicher“ ausländischer Unternehmen. Schließlich werden in Russland zunehmend ausländisch kontrollierte Unternehmen unter staatliche Verwaltung gestellt, was letztlich zu einem Totalverlust für die Gesellschafter und die Anleihegläubiger führen würde. Aus diesem Grund und um den Fortbestand der operativen russischen Gesellschaften zu sichern, sollen die Anteile an den russischen Zwischenholdings nach Russland übertragen werden. Der Verkauf der Anleihen bietet den Anleihegläubigern die Möglichkeit, zumindest einen Teil ihres Investments zurückzuerhalten.
BOND MAGAZINE: Aus welchen Gründen sollten Anleihegläubiger der vorgeschlagenen Restrukturierung der Anleihen zustimmen?
Bläsi: Weil sie damit die Chance erhalten, deutlich vor Fälligkeit der Anleihen einen Teil-Rückfluss zu erhalten und von dem künftigen Risiko der weiteren geopolitischen Eskalation und somit eines Totalverlustes befreit sind.
BOND MAGAZINE: Wann finden die zweiten Gläubigerversammlungen statt und wie können die Anleihegläubiger von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen?
Bläsi: Die zweite Anleihegläubigerversammlung für die ESA-Anleihe 2012/2027 (ISIN DE000A1R0RZ5, WKN A1R0RZ) findet am 3. Juni 2024 um 11:00 Uhr (MESZ) und für die ESA-Anleihe 2019/2029 (ISIN DE000A2YNR08, WKN A2YNR0) am 4. Juni 2024 ebenfalls um 11:00 Uhr (MESZ) im Heidelberg Marriott Hotel, Vangerowstraße 16, 69115 Heidelberg, statt.
Anleihegläubiger, die selbst teilnehmen möchten, müssen spätestens bei Einlass Ihre Berechtigung zur Teilnahme in Form eines „Besonderen Nachweises und Sperrvermerk“ nachweisen. Hierzu bitten wir die Anleihegläubiger, sich rechtzeitig mit ihrer depotführenden Bank in Verbindung zu setzen. Ein entsprechendes Musterformular finden Sie auf unserer Website auf den Seiten der Anleihe 2012/2027 bzw. der Anleihe 2019/2029. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den von der Emittentin benannten Stimmrechtsvertretern eine Vollmacht mit Weisungen zu erteilen, d.h. die Stimmrechtsvertreter stimmen in Ihrem Sinne für Sie ab. Auf der Website der Ekosem-Agrar AG steht Ihnen das entsprechende Formular „Vollmacht und Weisungen an die Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft“ zur Verfügung. Anleihegläubiger haben außerdem die Möglichkeit, der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger eine Vollmacht zu erteilen. Informationen dazu finden Sie auf der Website der SdK.
BOND MAGAZINE: Wer soll nach Ihren Plänen die russischen Tochtergesellschaften von Ekosem-Agrar übernehmen?
Bläsi: Eine Erwerbergesellschaft, die im Wesentlichen den bisherigen Gesellschaftern der Ekosem-Agrar AG gehört, mit Ausnahme der nicht-russischen Gesellschafter, die unter den derzeitigen Umständen nicht Anteilseigner einer russischen Gesellschaft werden können.
BOND MAGAZINE: Wenn die Mehrheit der Anleihegläubiger den Beschlussvorlagen zustimmt, ist dann sichergestellt, dass die Anleihegläubiger wirklich die 30% für ihre Anleihen erhalten oder gibt es dann noch Risiken?
Bläsi: Das Management in Russland hat, soweit das möglich ist, die Abwicklung mit den russischen Banken, der entsprechenden Kommission der Regierung und auch mit der Erwerbergesellschaft auf Zypern und deren Geldgebern abgestimmt. Aufgrund der dynamischen Entwicklungen im Zuge des Russland-Ukraine-Konflikts können wir nicht ausschließen, dass sich die Verhältnisse und Rahmenbedingungen weiter verändern, Personen wechseln, oder ähnliches, und dadurch eine Umsetzung unmöglich wird. Wir sind aber zuversichtlich, dass ein positiver gefasster Beschluss am Ende auch umgesetzt werden wird.
Für die Anleihegläubiger ist wichtig, dass sich deren Position jedenfalls gegenüber dem aktuellen status quo nicht verschlechtert. Wenn kein Kaufpreis gezahlt werden sollte, bleiben die Anleihen zu den derzeitigen Bedingungen in den Depots.
BOND MAGAZINE: Sehen Sie außer möglichen Anfechtungsklagen weitere Risiken?
Bläsi: Wie gesagt – die Regelungen verändern sich dynamisch, teilweise sehr kurzfristig und niemand kann ausschließen, dass auch die Anleiherestrukturierung hiervon betroffen sein wird. Konkrete Risiken können sich hierbei i. W. aus der Durchführung der notwendigen Zahlungen sowie der technischen Umsetzung der Wertpapiertransaktion ergeben.
BOND MAGAZINE: Befindet sich das zum Rückkauf der Anleihen bestimmte Kapital in Höhe von 30% des gesamten ausstehenden Anleihevolumens bereits auf deutschen Konten?
Bläsi: Nein, da wir davon ausgehen, dass bei positiven Beschlüssen Anfechtungsklagen erhoben werden, wird der gesamte Prozess voraussichtlich bis mindestens November des laufenden Jahres dauern. Die Liquidität wird bei Vollziehbarkeit der Beschlüsse bereitgestellt.
Wie erläutert, ist es wichtig zu betonen: Wenn kein Kaufpreis gezahlt werden sollte, bleiben die Anleihen zu den derzeitigen Bedingungen in den Depots der Anleihegläubiger.
BOND MAGAZINE: Wie lange dauert es dann, bis die Anleihegläubiger das Geld erhalten?
Bläsi: Wie gesagt – unter der Annahme, dass Anfechtungsklagen eingehen und der erwartete gerichtliche Freigabebeschluss ergeht, rechne ich mit einer Abwicklung im Dezember 2024.
Das Interview führte Christian Schiffmacher, www.fixed-income.org
Foto: Wolfgang Bläsi © Ekosem-Agrar AG
„Wenn kein Kaufpreis gezahlt werden sollte, bleiben die Anleihen zu den derzeitigen Bedingungen in den Depots der Anleihegläubiger“, Wolfgang Bläsi, Ekosem-Agrar AG
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