Zsolt Alexander Papp, Senior Investment Spezialist Emerging Markets Fixed Income, bei der Union Bancaire Privée (UBP), gibt einen Lagebericht für die Ukraine und Russland zum Referendum auf der Krim am 16. März:
- Wir rechnen nach wie vor damit, dass in der Krim-Krise ein Kompromiss gefunden wird, aus dem einfachen Grund, dass alle Parteien im Fall einer Eskalation, ob in Form von wirtschaftlichen Sanktionen oder eines bewaffneten Konflikts, mehr zu verlieren als zu gewinnen haben.
- Das Referendum vom kommenden 16. März dürfte in den nächsten Tagen die Schlagzeilen beherrschen. Allseits wird erwartet, dass sich die Bevölkerung der Halbinsel für einen Beitritt zu Russland aussprechen und das russische Parlament die dafür notwendigen Gesetze absegnen wird. Folglich dürften sich die Parteien unmittelbar vor und nach dem Wahltermin zu politischem Säbelrasseln hinreissen lassen, um die besten Karten zu haben, bevor sie sich an einen Tisch setzen und seriöse Verhandlungen aufnehmen.
- Die EU und die USA haben bereits erste, relativ milde Sanktionen ergriffen und die Einreise, Handels- und Gespräche über Visa-Erleichterungen gestoppt. Doch Signale von offizieller Seite lassen das Sperren privater Konten durchblicken. Letztere wären, auch wenn sie nicht auf hochrangige Militäroffiziere und Politiker angewendet würden, ganz klar als dramatische Eskalation zu werten und würden eine politische Lösungsfindung erschweren.
- Generell erwarten wir immer noch eine diplomatisch verhandelte Lösung, sobald das politische Gerangel aufhört und sich der erste Staub gelegt hat. Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen haben weder die EU noch Russland ein Interesse daran, einen ermüdenden Teufelskreis gegenseitiger Sanktionen loszutreten. Auch die USA haben kein Interesse daran, trotz des lautstarken Auftretens der Administration Obama.
- Chinas Position könnte den Ausschlag geben. Peking dürfte kaum eine Trennung der Krim von der Ukraine durchgehen lassen, doch ebenso unwahrscheinlich ist es, dass China den USA und der EU auf dem Weg politischer und wirtschaftlicher Sanktionen gegen Russland folgen wird. Wenn überhaupt, wird die chinesische Führung sich für eine politische Lösung stark machen.
Auswirkungen für Russland
- Die wirtschaftlichen Folgen beschränkten sich bislang auf einige Finanzwerte, in erster Linie auf den Wechselkurs des Rubel, aber auch auf Aktien und Anleihen. Aber für die meisten russischen Unternehmen, besonders jene, die wir in unseren Portfolios halten, heisst es noch „business as usual“.
- Falls die EU oder die USA Handelssanktionen durchsetzen, würde sich die Lage der russischen Unternehmen zwar ändern und ihre Geschäftskosten würden steigen. Dennoch könnten sie ihre Geschäfte weiterführen, wahrscheinlich aber mit niedrigeren Gewinnmargen.
- Das schlimmste Szenario wäre ein komplettes Handelsembargo. Wie eingangs erwähnt, hätten aber alle Seiten bei einer derart massiven Eskalation viel zu viel zu verlieren. Ein einseitiges Embargo wäre schwer umzusetzen: die UNO würde nie einem globalen Embargo zustimmen, da Russland ständiges Mitglied im Sicherheitsrat ist.
Auswirkungen für die Ukraine
- Für die Ukraine würden die wirtschaftlichen Folgen wesentlich härter ausfallen, vor allem für den Staat. Schon vor Ausbruch der Krise befanden sich die öffentlichen Finanzen in einer desolaten Lage. Die ukrainischen Unternehmen haben bisher nicht allzu stark gelitten; sie könnten sogar vom Entscheid der EU profitieren, den politischen Teil des Assoziierungsabkommens im Schnellverfahren abzuwickeln.
- Der Ausblick bleibt für den ukrainischen Staat zumindest ungewiss, da bis jetzt noch keine direkten Finanzhilfen angeboten wurden. Weil die EU und die USA scheinbar widerwillig Geld auf den Tisch legen, kann die Ukraine nur auf einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) hoffen. Die mit der Lagebewertung beauftrage Delegation hält sich noch im Land auf und macht laut IWF-Chefin Christine Lagarde „gute Fortschritte“. Allerdings liess Lagarde verlauten, dass der IWF streng nach Handbuch vorgehen werde.
- Angesichts der vorgenannten Tatsachen, schliessen wir eine Umstrukturierung ukrainischer Staatsanleihen (einschliesslich von quasi-staatlichen Emittenten wie Naftogaz) nicht aus. Eine solche wäre aber Bestandteil eines IWF-Hilfspakets und würde darauf abzielen, die Fähigkeit des ukrainischen Staates zu stärken, seinen Schuldendienst auf lange Sicht zu leisten.
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Aktueller Lagebericht Ukraine/Russland im Hinblick auf das Referendum am 16. März
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