Die Situation an den Anleihenmärkten war zuletzt turbulent. Steigende Zinsen und fallende Kurse sorgten für Nervosität bei den Anlegern, es gibt Befürchtungen eines Anleihen-Crashs. Im Interview spricht Allan Valentiner, Vorstand und Leiter Portfoliomanagement bei der AMF Capital AG über aktuelle Übertreibungen am Anleihenmarkt und wo sich ein Einstieg in Anleihen noch lohnt.
Die Zinsen steigen, die Kurse sinken – stehen wir vor einem Anleihen-Crash oder ist es nur ein Sturm im Wasserglas?
Was wir gegenwärtig im Anleihemarkt erleben ist weder ein Crash noch ein Sturm im Wasserglas – sondern eine Korrektur an den Finanzmärkten. Seit Mitte 2014 waren die Kurse vieler Anleihen, besonders der Staatsanleihen der Eurozone, nahezu ausschließlich gestiegen. Man konnte daher von leichten Übertreibungen reden. Es wurde sogar darauf spekuliert, dass die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe in den Negativbereich fallen würde. Derartige Übertreibungen führen häufig zu volatilen Korrekturen.
Wie bewerten Sie die Situation am Anleihenmarkt derzeit? Warum gibt es gerade jetzt diese Ausschläge?
Es gibt im Englischen die Regel: Buy the rumor – sell the news. In Erwartung der quantitativen Lockerung durch die EZB hatten sich viele Investoren rechtzeitig mit Staatsanleihen eingedeckt. Der Beginn der Käufe durch die EZB signalisierte für diese Investoren den geeigneten Zeitpunkt, um Gewinne bei diesen Staatsanleihen zu realisieren.
Rechnen Sie mit weiteren Ausschlägen? In welche Richtung?
In diesem Kapitalmarkt führen die niedrigen Notenbank-Zinsen gekoppelt mit Geldspritzen durch die EZB unweigerlich zu einem „Anlagenotstand“, bei dem der Investor verzweifelt nach Rendite sucht. Die führt in der Folge zu Spekulationsblasen an den Finanzmärkten. Diese erzeugen dann auch solche Korrekturen, wie wir sie im letzten Monat gesehen haben. Dennoch rechnen wir auch weiterhin mit niedrigen Notenbank-Zinsen und mit erneut fallenden Renditen am langen Ende der Zinsstrukturkurve.
Wie hoch könnten die Zinsen noch steigen? Ab wann wird es gefährlich für überschuldete Staaten wie Griechenland oder Italien?
Natürlich könnte die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe auf über ein Prozent steigen. Doch auf Grund der Überschussliquidität an den Kapitalmärkten, gepaart mit der quantitativen Lockerung durch die EZB, sehen wir eher erneut fallende Zinsen.
Wie beurteilen Sie die Situation für private Kreditnehmer – besteht Grund zur Sorge wegen steigender Zinsen?
Für den privaten Kreditnehmer bedeutet die Situation nur eine zwischenzeitliche Verteuerung der Kreditkonditionen, die unserer Meinung nach nicht lange anhalten wird.
Wie sollen sich Anleihen-Anleger verhalten? Ist ein Neueinstieg in Anleihen aktuell sinnvoll, oder sollte zunächst die weitere Entwicklung abgewartet werden?
Wir sehen die Lage an den Anleihemärkten eher als eine Chance für ein Engagement an den Rentenmärkten zu attraktiveren Konditionen als noch vor einem Monat. Doch sollte der Investor dabei bedenken, dass es auch in Zukunft zu Ausschlägen kommen wird. Daher sollten lange Laufzeiten vermieden werden, da bei diesen die Ausschläge am kräftigsten sind. Auch sollte er auf die Bonität des Schuldners achten. Je stärker sich die Bonität des Anleiheemittenten verbessert, umso kräftiger sind die Kursgewinne bei steigenden Märkten. Umgekehrt sind die möglichen Verluste geringer bei fallenden Märkten.
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