Die Nähe von Fußball und dem Bond-Markt beschränkte sich bisher vor allem auf die Emission von Fananleihen, die den notorisch klammen Vereinen eine zusätzliche Möglichkeit der Finanzierung eröffneten, für Fans aber als Investments eher schlecht performten. Zumindest blieb den Anlegern aber das gute Gefühl, den Lieblingsverein unterstützt zu haben. In Ungarn machen sich allerdings derzeit die Besitzer von Erstligaklubs einen Namen als höchst zweifelhafte Anleiheemittenten. Im Gefolge weiterer Brokerskandale der vorangegangenen Monate erwischte es etwa im März Csaba Tarsoly, den Besitzer des Teams aus Györ, immerhin Meister des Jahres 2013. Die Pleite seiner Quaestor-Gruppe, zu der neben einem Wertpapierhaus zahlreiche weitere Gesellschaften gehören, wurde dadurch ausgelöst, dass die Rückzahlung fälliger Anleihen nicht mehr dargestellt werden konnte. Die ungarische Nationalbank als zuständige Aufsichtsbehörde ist allerdings zu der viel schwerwiegenderen Ansicht gelangt, dass Quaestor an weitgehend unerfahrene Privatinvestoren in einem Volumen von 150 Mrd. HUF (knapp 500 Mio. Euro) Anleihen ausgegeben hat, die gar nicht existieren und auch ohne gültigen Prospekt emittiert wurden!
Sportlich und finanziell in einer bescheideneren Größenordnung agiert der andere ungarische Erstligist aus dem Provinzstädtchen Pápa (momentan Tabellenletzter). Besitzer und persönlich bereits vor Saisonende als Absteiger feststehend ist Péter Bíró, dessen Lombard-Gruppe mit der Kézizalog Zrt. über eine im Pfandleihgeschäft tätige Tochtergesellschaft verfügt, die auch am deutschen Anleihemarkt keine Unbekannte ist. Im September 2013 wurde Investoren der „Lombard Bond 2“ präsentiert, von dessen Maximalvolumen in Höhe von 25 Mio. Euro bei einem Kupon von 7,75% nach Unternehmensangaben letztlich ca. 10 Mio. Euro platziert worden sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein signifikanter Teil des „platzierten“ Volumens aus dem Umtauschangebot an die Investoren des Lombard Bond 1 stammen dürfte und somit kein frisches Kapital darstellte. Seit der Notierungsaufnahme kennt der Kurs eigentlich nur eine Richtung und ist mittlerweile bei ca. 20,00% angekommen. Dass dies trotz fehlender Unternehmensmeldungen der Emittentin und einer offenbar nicht-existenten Kommunikationspolitik gegenüber den Investoren vollkommen berechtigt ist, zeigt ein genauerer Blick auf die Geschehnisse in Ungarn.
Dort hat die Nationalbank in ihrer Funktion als Finanzaufsicht im letzten Jahr die Überwachungsaktivitäten deutlich verstärkt und dabei neben den Brokerskandalen auch bei der Konsolidierung des Sparkassensektors unschöne Details ans Tageslicht gefördert. Als bei einer kleineren Sparkasse, der Alba Takarék, im Sommer 2014 die Kreditvergabe von einem internationalen Wirtschaftsprüfer näher unter die Lupe genommen wurde, stellte sich nach ungarischen Presseberichten heraus, dass das dort von der Lombard-Gruppe hinterlegte Gold nur vereinzelte Spuren des Edelmetalls aufwies und ansonsten im Wesentlichen aus Messing bestand. An die Öffentlichkeit drang das seinerzeit nicht, löste aber bei der Nationalbank Handlungsbedarf aus. Das Ergebnis der daraufhin im Januar dieses Jahres gestarteten Sonderprüfung führte dazu, dass sich Péter Biró Anfang April zur Selbstanzeige genötigt sah.
Kern der Geschäftstätigkeit der Kézizalog Zrt. ist die Vergabe von kurzfristigen Pfanddarlehen, die zu über 90% durch Gold und Juwelen besichert sind. Angesichts dieser vermeintlich erstklassigen Sicherheiten ist es nicht verwunderlich, dass Banken sich in der Vergangenheit sehr offen für die Refinanzierung dieser Darlehen gezeigt haben. Laut der letzten veröffentlichten Bilanz aus dem Jahre 2013 hat die Muttergesellschaft Lombard Kft. unabhängig von der kleinen Alba Takarék für das Pfandkreditgeschäft der Tochter Kézizalog Zrt. 8 größeren Banken Garantien im Volumen von ca. HUF 21 Mrd. HUF (knapp 70 Mio. Euro) gegeben, um die Refinanzierung sicherzustellen. Die größten Finanzierer waren zu diesem Zeitpunkt die CIB Bank (Intesa Sanpaolo-Gruppe) und die Unicredit.
Der Schaden aufgrund der fehlenden Werthaltigkeit der Sicherheiten wird derzeit auf etwa 4 Mrd. HUF (ca. 13 Mio. Euro) geschätzt. Interessanterweise war die Mittelverwendung der Anleiheemission in Deutschland neben dem Aufbau einer Wiener Präsenz vor allem darauf gerichtet, das Refinanzierungsvolumen mit den Banken deutlich nach unten zu fahren. Angesichts der überschaubaren Emissionserlöse dürfte das allerdings kaum möglich gewesen sein. Fakt ist, dass neben einem Abschreibungsbedarf bei den finanzierenden Banken der bisherigen Finanzierungsstrategie der gesamten Gruppe die Grundlage entzogen worden ist, von den möglichen strafrechtlichen Konsequenzen einmal abgesehen. Da passt die Mitteilung der ungarischen Nationalbank vom 7. Mai ins Bild, in der es heißt, dass der Kézizalog Zrt. die Erlaubnis zur Erbringung von Finanzdienstleistungen entzogen worden ist und die Liquidation initiiert wurde, welche nach ungarischer Gesetzeslage von der staatlichen PSFN Nkft. durchgeführt wird.
Diese dramatische Entwicklung wirft natürlich die Frage auf, welchen Wert die bei der Platzierung der Kézizalog-Anleihe herausgestellten Sicherheiten haben, welche von der schweizerischen 2SW Asset Management als Treuhänder verwaltet werden. Der Verdacht liegt nahe, dass diese eben nicht zur Deckung der Forderungen der Anleihegläubiger reichen. Investoren ist angesichts der angelaufenen Liquidation wohl die Kündigung der Anleihe möglich. Die teilweise hohen Tagesumsätze der letzten Wochen könnten dabei auf spekulative Käufer hindeuten, die darauf setzen, dass es nach Befriedigung der Bankenforderungen eben doch mehr werthaltige Pfandgüter gibt als es der momentane Kurs der Anleihe widerspiegelt.
Niemand ist gegen eine bei der Lombard-Gruppe nach jetziger Lage der Dinge offenbar in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie gefeit, allerdings zeigt das Beispiel auch, wie wichtig eine sorgfältige Due Diligence bei der Begleitung von Emittenten ist. Zwar ist von Emissionsbegleitern schwerlich zu verlangen, selbst die Echtheit von Gold und Schmuck vor Ort zu überprüfen, aber das regelmäßig als Motiv aufscheinende Ersetzen bisheriger Bankpartner durch eine anleihengestützte Finanzierung sollte zumindest eine tiefergehende Analyse möglicher Beweggründe nach sich ziehen.
Christian Schiffmacher, www.fixed-income.org
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