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Warum die Inflation zuru?ckkehren kann

von Erik Weisman, Portfoliomanager und Chefökonom bei MFS Investment Management

Die meisten Investoren kennen kaum etwas anderes als Disinflation. Wegen des Nachfrageschocks durch die Corona-Pandemie du?rfte sich daran in den nächsten Jahren nur wenig ändern. Die unkonventionelle Geldpolitik und die wachsende Bereitschaft der Regierungen, die historisch niedrigen Zinsen fu?r eine sehr expansive Fiskalpolitik zu nutzen, könnten den mittelfristigen Inflationsausblick aber verändern.

Was unterscheidet die Coronakrise von der internationalen Finanzkrise?

Auch in der internationalen Finanzkrise reagierte die Geldpolitik beherzt, aber die Inflation blieb sehr niedrig. Warum? Aus meiner Sicht gibt es dafu?r vor allem zwei Gru?nde: die niedrige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und den ausgeprägten Schuldenabbau bei Banken, Haushalten und schließlich auch Regierungen. Aber das ist lange her, und vieles ist heute anders: Die internationale Finanzkrise unterscheidet sich erheblich von der aktuellen Lage.

Die Fed und andere Notenbanken reagierten auf die Finanzkrise, indem sie die Notenpresse anwarfen. Das sollte die Kreditmärkte wieder zum Laufen bringen und das Wirtschaftswachstum stärken. Doch ein Großteil des Geldes floss nicht in die Realwirtschaft. Die Umlaufgeschwindigkeit – also die Häufigkeit, mit der Geld den Besitzer wechselt – brach wegen des Schuldenabbaus und der höheren Risikoaversion drastisch ein. In der Krise trennten sich Banken von Problemaktiva und Hausbesitzer bedienten ihre Hypotheken nicht mehr. Viel zu fru?h entschlossen sich die Regierungen dann zu einer Austeritätspolitik – mitten im Abschwung.

Weitgehend ungenutzt blieb aber auch das Geld, das die Realwirtschaft erreichte: Weil die verunsicherten Haushalte, Banken und Unternehmen Wert auf große Liquiditätspolster legten, wechselte es nur selten den Besitzer. Die Inflation blieb daher niedrig. Aus der internationalen Finanzkrise haben wir gelernt, dass eine höhere Geldmenge allein keine Inflation auslöst und der Nachfrage eine Schlu?sselrolle zukommt.

Warum es diesmal anders sein könnte

1. Geld- und Fiskalpolitik reagierten schnell und umfassend: Das Ausmaß der geld- und fiskalpolitischen Reaktionen auf die Pandemie stellt alles Bisherige in den Schatten. Außerdem achtet man heute mehr darauf, dass das Geld die Realwirtschaft erreicht. Man setzt mehr auf den Konsum als auf den Finanzsektor und konzentriert sich auf Haushalte und Unternehmen statt auf Kreditinstitute. Zwar ist die Pandemie noch längst nicht vorbei, doch wurde das Bankensystem anders als in der Finanzkrise bislang nicht zum Risikoabbau gezwungen.

2. Die Entscheider du?rften kaum ihre alten Fehler wiederholen: Hat die Fiskalpolitik aus ihren Fehlern nach der Finanzkrise gelernt? Damals wechselte sie im Aufschwung zu fru?h zur Austeritätspolitik, nämlich bereits um das Jahr 2011. Heute gilt diese sehr fru?he Sparpolitik als Fehler – vor allem im Euroraum, wo sich anschließend eine Staatsschuldenkrise entwickelte. Vielleicht werden sinkende Länderratings die Regierungen wieder zu einer aggressiven Sparpolitik zwingen. Renditen von oder nahe null du?rften dem aber vorbeugen.

3. Politiker könnten das Undenkbare denken: Auch wenn sich die Entscheider oft vor einem offenen Eintreten fu?r die Modern Monetary Theory scheuen, haben viele kein Problem damit, sie in Teilen umzusetzen. Die Theorie postuliert, dass sich ein Land ohne größeren Schaden hoch verschulden kann, wenn es (1) Anleihen in Landeswährung begibt, (2) das Produktionspotenzial längst nicht ausgelastet ist und (3) das Defizit zu Zinsen nahe null finanziert werden kann. Noch vor nicht allzu langer Zeit waren solche Gedanken tabu, aber durch die Pandemie ist der Meinungskorridor breiter geworden. Denkverbote sind verschwunden. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie scheinen fu?r eine neue Offenheit gesorgt zu haben.

4. Es scheint, als wu?rden wir die Schulden monetisieren: Diesmal ist die Fed bereit, sehr viel mehr US-Staatsschulden zu u?bernehmen. Im Detail ist man sich vielleicht nicht ganz einig, was Monetisierung wirklich bedeutet, aber die Kombination aus steigenden Staatsschulden und mehr Staatsanleihenkäufen von Notenbanken mahnt zur Vorsicht. Große Staatsanleihenkäufe der Fed haben aber nicht immer zur Inflation gefu?hrt. In den beiden Weltkriegen war es zwar so, während der internationalen Finanzkrise hingegen nicht. Der Grund liegt auf der Hand: Während der Kriege arbeitete die Wirtschaft u?ber Potenzial und das neu gedruckte Geld floss in die Realwirtschaft. In der internationalen Finanzkrise war es genau umgekehrt. Wenn man dauerhaft bei einer Form der Modern Monetary Theory bleibt, die Schulden monetisiert und die Outputlu?cke geschlossen wird, könnte der Disinflationstrend der letzten Jahrzehnte zu Ende gehen.

5. Die Inflationserwartungen könnten aus dem Ruder laufen: In den letzten Jahrzehnten waren die Inflationserwartungen nicht sehr hoch, aber das war nicht immer so. Während der großen Depression brachen sie massiv ein, und in den 1970er Jahren stiegen sie. Man kann nicht ausschließen, dass die Modern Monetary Theory und die Monetisierung der Staatsschulden psychologische Wirkungen haben. Denkbar ist aber auch etwas ganz anderes: Wenn wir den Fehler nach der internationalen Finanzkrise wiederholen und zu schnell zu einer Sparpolitik u?bergehen, könnten die Inflationserwartungen stark einbrechen. Wie auch immer – die Fed muss aufpassen, dass sie nicht an Glaubwu?rdigkeit verliert.

6. Die Regierungen wu?rden etwas Inflation durchaus schätzen: Wie sind die Regierungen in der Vergangenheit mit zu hohen Staatsschulden umgegangen? Der sicherste Weg des Schuldenabbaus ist ein Zahlungsausfall, aber das ist fu?r die USA und andere Industrieländer mit hohen Ratings natu?rlich keine Option. Die bevorzugte Methode ist Schuldenabbau durch Wachstum. Wenn das BIP schneller steigt als die Schulden, verringert sich die Schuldenstandsquote, der Quotient aus Schulden und Wirtschaftsleistung. Aufgrund des niedrigen Wirtschaftswachstums und der sich verschlechternden Demografie sind die Aussichten dafu?r aber nicht besonders gut. Eine andere Möglichkeit ist Austeritätspolitik. Wie wir aber schon gezeigt haben, kann dies das Gegenteil des Gewu?nschten bewirken. Desweiteren könnte man versuchen, die Schulden durch eine Währungsabwertung zu senken. Aber wenn dies alle gleichzeitig versuchen, wäre es am Ende vergeblich, da nicht alle Währungen gleichzeitig abwerten können. Noch ein anderer Ansatz wäre Finanzrepression, also das Bemu?hen, die Staatsanleiherenditen ku?nstlich unter dem nominalen BIP-Wachstum zu halten – aber viele Regierungen haben dies bereits seit Jahren mit nur mäßigem Erfolg versucht. Sicher, die Notenbanken haben während der letzten Krise sehr viel Geld gedruckt, aber der Schulden- und Risikoabbau hat eine höhere Inflation verhindert. Wenn aber die Entscheider neues Denken zulassen und Modern Monetary Theory sowie Schuldenmonetisierung zu gängigen Instrumenten werden, könnte die Inflation auf ein Niveau steigen, wie wir es seit mindestens 25 Jahren nicht mehr gesehen haben. Die Teuerung könnte dann reichen, um die Staatsverschuldung in den nächsten Jahren erkennbar zu senken.

Beschlossene Sache?

Ist garantiert, dass das Zusammenspiel von Modern Monetary Theory, Schuldenmonetisierung, einer geschlossene Outputlu?cke, einer höheren Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und steigender Inflationserwartungen die Teuerung deutlich steigen lässt? Natu?rlich nicht. In unserem Basisszenario wird die Inflation noch länger niedrig sein. Bleibt man auf absehbare Zeit bei der Modern Monetary Theory, wird eine steigende Inflation in einigen Jahren aber wahrscheinlicher. Einige der genannten Entwicklungen werden zweifellos Realität. Ob das wirklich fu?r eine höhere Inflation reicht, bleibt abzuwarten. Eine höhere Teuerung du?rfte aber sehr viel wahrscheinlicher sein, als man am Markt zurzeit zu glauben scheint.

Welche Assetklassen du?rften profitieren?

Die Konjunktur du?rfte in den nächsten Quartalen unter Druck stehen, die Outputlu?cken sind sehr groß und der Ölpreis ist seit Jahresbeginn um etwa ein Drittel gefallen. Die Inflation du?rfte daher in nächster Zeit nicht zum Problem werden. Dennoch ist es wahrscheinlicher geworden, dass sie jetzt deutlich stärker steigt als in fru?heren Aufschwu?ngen. Aber wir rechnen nicht im entferntesten mit einer Inflation deutlich u?ber 3% bis 4% oder gar einer Hyperinflation. Wir erwarten lediglich, dass sich der Disinflationstrend umkehrt.

Zu den Assetklassen, die von einem moderaten Inflationsanstieg profitieren oder ihn ausgleichen können, zählen Substanzwerte, inflationsindexierte Anleihen (TIPS), Kurzläufer, variabel verzinsliche Anleihen, Rohstoffe und Sachwerte wie Immobilien und Gold. Ungu?nstig könnte eine steigende Inflation etwa fu?r länger laufende Anleihen, Wachstumswerte und Anleihenproxys wie REITs, Versorgeraktien und Infrastrukturanlagen sein.

Ein Wort zum Schluss: Wenn die Geld- und Fiskalpolitik tatsächlich fu?r eine höhere Inflation sorgt, könnte dies zu neuen Risiken fu?hren. Notenbanken und Regierungen vergesellschaften zurzeit Verluste und Solvenzrisiken, um Beschäftigung und Haushaltseinkommen zu stabilisieren – in der Hoffnung, einen Ru?ckgang von Wachstum und Inflation zu verhindern. Mit einer umfassenden Anwendung der Modern Monetary Theory wu?rde dieser Ansatz eine neue Dimension erreichen. Die Finanzmärkte haben allerdings zwei Funktionen: Kapitalallokation und Preisfindung. Wenn man die Inflation nach oben zwingt, wu?rde beides gestört. Die Medizin könnte dann in der Tat schlimmer sein als die Krankheit. Investoren sollten sich auf mehr Marktverzerrungen vorbereiten, mit oder ohne Inflation.

MFS wurde 1924 gegründet und ist ein aktiver, globaler Asset Manager mit Investmentniederlassungen in Boston, Hongkong, London, Mexico City, São Paulo, Singapur, Sydney und Toronto. MFS verfolgt einen einzigartigen partnerschaftlichen Ansatz, um Mehrwert für seine Kunden zu schaffen. Der Investmentprozess hat drei Säulen: integriertes Research, internationale Zusammenarbeit und aktives Risikomanagement. MFS verwaltet 508,5 Milliarden US-Dollar (Stand 30. Juni 2020) Anlagevermögen für Privatanleger und institutionelle Investoren weltweit.

www.fixed-income.org
Foto: 
Erik Weisman © MFS Investment Management


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